Auch wenn man die meisten Noten schon vorab wusste, der Zeugnistag war eigentlich immer aufregend, festlich und oft auch ausgelassen. Umso unspannender wird es kommenden Freitag, wenn in Wien und Niederösterreich die Semesterferien beginnen. Ein Semesterzeugnis gibt es nur für Schüler der 4., 8. und 9. Schulstufe. Also für all jene, die die Schulnachricht für einen etwaigen Schulwechsel oder den Umstieg ins Berufsleben schon früher brauchen.
Das ist österreichweit gleich geregelt, Schulen können aber autonom persönliche Übergabetermine vereinbaren oder Gruppen einteilen, damit es zu keinen größeren Ansammlungen kommt. Der Rest der Schülerinnen und Schüler bekommt das Zeugnis dann erst am ersten oder zweiten Schultag nach den Ferien. „Wir gehen davon aus, dass am 8. Februar der Unterricht wieder im Schichtbetrieb starten kann“, sagt der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer.
Pilotprojekt: Digitale Schulnachricht
Per Post kommt das Zeugnis jedenfalls nicht, eingeschriebene Briefe für über 240.000 Schülerinnen und Schüler, die es alleine in Wien gibt, zu verschicken, würde zu teuer werden. Außerdem handle es sich ja lediglich um ein Zwischenfazit, heißt es aus der Wiener Bildungsdirektion. Nur an einer Wiener Schule bekommen schon am Freitag alle rund 1.500 Schülerinnen und Schüler eine Schulnachricht. Die BHAK Wien 10 startet einen Pilotversuch und übermittelt die Schulnachricht digital mittels elektronischer Amtssignatur. Warum es das noch nicht in ganz Wien gibt? Das flächendeckende Know-How fehle noch, so Himmer. An der 10er-HAK sei man jedenfalls schon im Austausch mit anderen Schulen und teile das Wissen gerne, sagt Direktor Jörg Hopfgartner.
Lehrer bei Notengebung in der Zwickmühle
Aber nicht nur logistisch ist dieses Corona-Semesterzeugnis eine Herausforderung. Auch die Notengebung selbst brachte Lehrerende in die Zwickmühle. An einem Drittel der Schultage wurde in diesem Semester zuhause gelernt, in Oberstufen war es sogar die Hälfte. Das Distance Learning bringt Abstriche – Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) rief deshalb dazu auf, „milde“ zu beurteilen. Gleichzeitig müssen Lehrende aber für eine „sichere Beurteilung“ sorgen.
"Das simuliert Normalität, wo keine ist", kritisiert Bildungsforscher Bernhard Hemetsberger. Er hätte anstatt der standardisierten Notengebung eine schriftliche lehrautonome Rückmeldung für sinnvoller gehalten. Ein Vorschlag, den auch Bildungsdirektor Heinrich Himmer für gut befunden hätte. „Verbale Noten“ würden mehr bringen, das sei ähnlich wie bei einem Mitarbeitergespräch.
"Muss Noten vertrauen können"
Auch Jörg Hopfgartner appellierte an seine Lehrenden, persönliches Engagement stärker zu berücksichtigen als punktuelle Leistungen wie Schularbeiten. Er spricht von einer „situativ angepassten Beurteilung“. Als Direktor einer höherbildenden Schule versucht er außerdem im Aufnahmeprozess neue Schüler verstärkt auch persönlich oder zumindest telefonisch kennenzulernen und sich nicht nur über Noten ein Bild zu machen. Aber: „Prinzipiell muss ich den Noten natürlich vertrauen können“.
Förderangebote im zweiten Semester
Klarere Regeln für die Notengebung wären jedenfalls wünschenswert gewesen, kritisiert Himmer die widersprüchlichen Anweisungen des Bildungsministeriums. Er ist aber zuversichtlich, dass Lehrerende ein gutes Maß finden werden: „Wenn jemand Unterstützung und Förderung braucht, muss man es ihm auch sagen." Umso wichtiger sei, dass es im zweiten Semester tatsächlich auch die zusätzlichen vom Bildungsministerium angekündigten Förderangebote geben wird.
Ambra Schuster