Festnahme am 12. Jänner 2019. Untersuchungshaft. Verurteilt zu 22 Monaten Haft am 25. April 2019. Rechtskräftig wurde das Urteil am 12. Juli 2019. Verurteilt wurde der 20-Jährige, weil er versuchte, nach Syrien zu reisen, um dort für den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Wie konnte es sein, dass dieser Mann schon im Dezember 2019 wieder aus der Haft entlassen wurde?
Das sei gesetzlich so vorgesehen, erklärt am Dienstag Justizministerin Alma Zadic (Grüne). „Grundsätzlich werden bedingte Entlassungen nach zwei Dritteln der Haftzeit ausgesprochen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Dies geschieht unter Auflage einer Probezeit von drei Jahren zur spezifischen Behandlung, Betreuung und laufenden Kontrolle.“ Im konkreten Fall sei das am 5. Dezember 2019 nach einer „Entlassungskonferenz und gerichtlichen Entscheidung“ passiert. Als junger Erwachsener fiel er unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes.
Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung präzisierte das Justizministerium diese Rechnung am Mittwoch. Angerechnet wurde dabei nicht nur die Zeit der U-Haft in Österreich, sondern auch die Haft in der Türkei. Der Täter wollte bekanntlich Anfang September 2018 nach Syrien reisen, wurde aber schon auf dem Weg dorthin in der Türkei festgenommen. Im Jänner 2019 wurde er dann nach Österreich überstellt. Hätte der Täter also seine gesamte 22-monatige Haftstrafe abgesessen, wäre er im Juli 2020 freigekommen.
"Verfassungsschutz wurde informiert"
Der Mann hatte Kontakt zu einem Bewährungshelfer und dem Verein Derad, der sich um die Deradikalisierung islamistischer Straftäter kümmert. Damit könne „über die Haftzeit hinaus auf den Täter eingewirkt werden“, heißt es aus dem Justizministerium. „Bei einer regulären Entlassung, die im konkreten Fall im Juli 2020 erfolgt wäre, hätte es keine Möglichkeit gegeben, mit zusätzlichen Auflagen auf den Täter Einfluss zu nehmen.“ Wie in solchen Fällen üblich sei das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung über die Entlassung informiert worden.
Nach der Verurteilung als IS-Terrorist war auch ein Verfahren zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Mannes, der auch nordmazedonischer Staatsbürger war, eingeleitet worden. Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hätten die zuständigen Behörden aber offenbar keine ausreichenden Hinweise auf radikale Aktivitäten des Attentäters gegeben. Der 20-Jährige habe es geschafft, „das Deradikalisierungsprogramm der Justiz zu täuschen“, sagt Nehammer. Er fordert eine „Evaluierung und Optimierung des Systems“. Die FPÖ fordert leichtere Ausbürgerung von islamistischen Gefährdern und Terroristen.