Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat nach jahrelangem Rechtsstreit grünes Licht für die 380-kV-Leitung in Salzburg gegeben. Wie das Höchstgericht am Dienstag mitteilte, ist die ordentliche Revision gegen die Genehmigung mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2020 als unbegründet abgewiesen worden. Zahlreiche Anrainer, Gemeinden und Bürgerinitiativen hatten die Freileitung vehement bekämpft und eine Verlegung des Stromkabels unter die Erde gefordert.
Im Frühjahr 2019 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des im Bundesland Salzburg liegenden Teils der Leitung erteilt. Damit wurde auch der erstinstanzliche UVP-Bescheid der Salzburger Landesregierung vom Dezember 2015 bestätigt. Allerdings ermöglichte das BVwG damals noch eine Berufung vor dem VwgH. Alle Anträge auf aufschiebende Wirkung gegen das Großprojekt wurden in der Folge jedoch abgewiesen, der Baustart für die Leitung erfolgte im Oktober 2019. Derzeit laufen die Arbeiten trotz Protesten in allen betroffenen Salzburger Bezirken, die ersten Masten stehen bereits.
Hoffnungen der Kritiker
Inhaltlich hatten sich die Projektgegner Hoffnungen an gleich mehreren Fronten gemacht. Zunächst ging es um die in ihren Augen nach falsche Zuständigkeit der Salzburger Landesregierung für die in erster Instanz erteilte UVP-Genehmigung. Weil sich die Leitung über das Gebiet zweier Bundesländer - Salzburg und Oberösterreich - erstrecke, sei die Landesregierung gar nicht entscheidungsbefugt gewesen. Außerdem habe der Projektbetreiber APG (Austria Power Grid) seinen Sitz nicht in Salzburg, es hätte darum eine andere Behörde entscheiden müssen.
Hier urteilte der VwGH ganz klar, dass sich aus der bestehenden Judikatur nicht ableiten lasse, dass für die Genehmigung nicht mehrere Behörden örtlich zuständig sein können. Zugleich bestätigte das Höchstgericht die Auffassung des BVwG, wonach sich die behördliche Zuständigkeit nicht nach dem Sitz des antragstellenden Unternehmens, sondern nach der Lage der Stromleitung richtet.
Dann hatten die Kritiker der Hochspannungsleitung bemängelt, dass vor der erfolgten Umweltverträglichkeitsprüfung keine laut EU-Recht zwingend vorgeschriebene Strategische Umweltprüfung (SUP) für den zugrunde liegenden Netzentwicklungsplan stattgefunden hat. Derzeit läuft deswegen übrigens ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Republik Österreich. Der Netzentwicklungsplan listet die elektrizitätswirtschaftlichen Investitionsvorhaben der nächsten Jahre und damit auch die 380-kV-Leitung auf.
Hier schloss sich der VwGH zwar nicht der Auffassung des BVwG an, wonach die unterlassene SUP nicht auf die UVP-Genehmigung durchschlage. Allerdings könne den unionsrechtlichen Vorgaben auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Rechtmäßigkeit einer UVP-Genehmigung auch ohne Heranziehung des Netzentwicklungsplans überprüft wird. Die angefochtene UVP-Genehmigung habe sich dabei auch unter Außerachtlassung des Netzentwicklungsplans als rechtmäßig erweisen, urteilte das Höchstgericht.
Nicht zuletzt hakten die Beschwerdeführer auch bei Fragen in den Bereichen Energiewirtschaft, Forstrecht und Naturschutz ein. Zunächst bestätigte der VwGH hier das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der 380-kV-Salzburgleitung. Die auf die Sachverständigengutachten gestützte Auffassung des BVwG, es handle sich bei einem Erdkabel um keine dem Stand der Technik entsprechende erprobte Alternativlösung, sei dabei nicht zu beanstanden gewesen.
In einem weiteren Punkt ging es bei der Revision um die Frage, ob die Baumfällarbeiten für die Leitung im Zuge der UVP rechtlich als Trassenaufhiebe, also Fällungen von Bäumen bei fehlendem Abstand zu einer Leitung, oder als Rodungen zu behandeln sind. Hier legte das Höchstgericht dar, dass sich aus der Judikatur des EuGH und zur Frage des Bestehens einer UVP-Pflicht nichts ableiten lasse. "Es ist - auch im Hinblick auf die bei Trassenaufhieben bestehende Pflicht zur Wiederbewaldung - nicht zu beanstanden, wenn die Auswirkungen eines konkreten Projektes fallbezogen geprüft und Rodungen und Trassenaufhiebe insoweit nicht schematisch gleich behandelt werden."
Auch artenschutzrechtlichen Bedenken, etwa dass die Leitung dem Verbot der Tötung von Vögeln widerspreche, verneinte der VwGH. Ein Inkaufnehmen einer Tötung liege nur dann vor, wenn sich durch die Leitung das Risiko der Tötung für ein Exemplar gegenüber dem allgemeinen Naturgeschehen signifikant erhöhte. "Dabei können mit dem Projekt verbundene sogenannte schadensmindernde Maßnahmen (wie fallbezogen etwa die Ausführung und Markierung der Seile oder die Trassenführung) berücksichtigt werden."
Die Salzburgleitung soll die Lücke im 380-kV-Ring schließen und gilt als wichtigstes Strominfrastrukturprojekt Österreichs. Sie verläuft zwischen Elixhausen (Flachgau) und Kaprun (Pinzgau) und ist 113 Kilometer lang. Im Gegenzug zur Errichtung der neuen Leitung werden rund 193 Kilometer an bestehenden 110- und 220-kV-Leitungen abgebaut. Das Investitionsvolumen für die Leitung beläuft sich laut APG auf rund 890 Mio. Euro. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2025 geplant.