Der Prozess gegen die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer wegen übler Nachrede in Wien ist am Freitag erneut vertagt worden. Kurz vor Ende des Verfahrens legte der Kläger ein neues Beweismittel vor. Dabei handelt es sich um eine handgeschriebenen Brief mit dem angeblichen Geständnis eines Freundes vor, dass er die obszönen Nachrichten an Maurer verfasst habe. Dieser Zeuge soll nun befragt werden.
Binnen einer Woche muss nun vom Kläger der Name und eine ladungsfähige Adresse des Zeugen genannt werden, verlangte Richter Hartwig Handsur. Deshalb wurde vorerst kein neuer Termin für die Verhandlung genannt.
Der Wiener Bierlokal-Betreiber wirft Maurer üble Nachrede vor, weil die Grüne Abgeordnete via sozialen Netzwerken eine private Facebook-Nachricht mit obszönem Inhalt veröffentlicht hat, die sie tags zuvor vom Account des Bierwirten bekommen hatte. Darin beschuldigte sie den Geschäftsbesitzer namentlich, dass dieser ihr die Nachricht geschickt habe, was dieser leugnet. Sein Anwalt Adrian E. Hollaender beantragte zudem die Privatanklage auf Beleidigung auszuweiten, da Maurer den Bierwirt in einer privaten Chat-Unterhaltung als "Arschloch" bezeichnet haben soll. Ein Screenshot davon sei dann auch in Medien aufgetaucht.
Der Bierwirt behauptete, dass sein Computer im Lokal frei zugänglich sei und jeder diese Botschaft über seinen Facebook-Account geschrieben haben könnte. Nun am letzten Verhandlungstag, wo eigentlich ein Urteil erwartet wurde, legte er das Geständnis des Bekannten vor. Der Freund, der auch Kunde in dem Lokal ist, gab darin den "Blödsinn" zu. Er sei sich nicht bewusst gewesen, dass die Sache solche Wellen schlagen würde, schreibt er. "Waren alle angetrunken damals", ließ der Mann weiter wissen, der das Geständnis am 9. Juli in den Briefkasten des Bierlokals geschmissen haben soll.
Auf die Frage, warum er das Schriftstück erst heute vorlegt, meinte der Bierwirt: "Ich wollte den heutigen Prozess noch abwarten und die Leute hören. Ich habe das bewusst zurückgehalten." Er habe den Freund daraufhin angesprochen: "Ich hab' ihn schon gefragt, ob er dumm ist und wie es ihm geht. Besoffen war er wahrscheinlich." "Ihnen ist schon klar, dass er als Zeuge hier aussagen muss, ich brauche vollständigen Namen und Adresse", sagte der Richter - der Kläger meinte nämlich, nicht mehr genau seinen Namen zu kennen, weil er nur ein Gast, aber "nicht meine Frau und mein Kind ist".
"Jetzt ist Schluss mit der Märchenstunde", sagte die Anwältin Maurers, Maria Windhager. Auf die Frage, warum er das Schreiben nicht gleich seinem Anwalt gegeben habe, gab der Kläger keine Antwort. Ob sich der Bierwirt erinnern könne, ob der besagte Freund am Tag, wo die Nachricht an Maurer verfasst wurde, im Lokal anwesend war, wollte Windhager zudem wissen. "Ich hab' keine Erinnerung daran, dass er an dem Tag da war", sagte er.
"Ich bin absolut fassungslos. Ich find', das ist ein absoluter Irrsinn", sagte die Grüne Nationalratsabgeordnete nach der neuerlichen Vertagung zu Journalisten. "Ich bin natürlich extrem enttäuscht, dass es heute schon wieder zu keinem Urteil kommt. Das Verfahren zieht sich schon seit ewigen Zeiten. Und ich fühle mich gefrotzelt." Auch ihre Anwältin bezeichnete das plötzliche Auftauchen des Geständnisses als "schräg" und "absolut unglaubwürdig". Wenn diesem Schreiben irgendein Glauben geschenkt werden sollte, dann wäre es viel früher vorgelegt worden, sagte Windhager. Der Zeuge sei "aus dem Hut gezaubert" worden.
Maurer hatte am 30. Mai 2018 via soziale Medien eine private Facebook-Nachricht öffentlich gemacht, die sie tags zuvor vom Account des Josefstädter Bierwirten bekommen hatte. Sie habe diese Nachricht "nicht so stehen lassen" wollen, rechtfertigte sich Maurer später. Der Inhalt war grob obszön, außerdem war die Grün-Politikerin wenige Stunden vor Erhalt der Nachricht an dem Lokal vorbeigegangen und soll von dem draußen stehenden Betreiber und zwei anderen Männern ungut angesprochen worden sein. Weil sie keine rechtliche Möglichkeit sah, gegen die obszönen Anzüglichkeiten vorzugehen, habe sie diese publik gemacht, erläuterte Maurer.
Der Bierwirt behauptet, die Nachrichten seien nicht von ihm selbst verfasst und abgeschickt worden. Er klagte Maurer, die im Oktober 2018 im ersten Rechtsgang wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro verurteilt wurde. Weitere 4.000 Euro wurden dem Lokalbetreiber für die "erlittene Unbill" zugesprochen. Zudem hätte Maurer die Kosten des Verfahrens übernehmen müssen.
Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hob allerdings im März 2019 diese Entscheidung auf und ordnete eine Neudurchführung des Verfahrens an. Dieses wurde im September eröffnet und erfährt nun nach einer fast auf den Tag genau einjährigen Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie seine Fortsetzung.
Maurer, mittlerweile wieder politische Abgeordnete, genießt eigentlich parlamentarische Immunität, verzichtete jedoch darauf. Erst vor einer Woche präsentierte sie gemeinsam mit Parteikollegin und Justizministerin Alma Zadic sowie Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) ein Maßnahmenpaket zu "Hass im Netz".