Freundinnen und Freunde des gepflegten Freiluft-Bieres müssen dieser Tage in München besonders stark sein. Corona-bedingt fällt heuer nicht nur das Oktoberfest aus, seit Ende vergangener Woche gilt in der bayerischen Landeshauptstadt auch ein nächtliches Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Im gesamten Stadtgebiet darf zwischen 21 Uhr und sechs Uhr kein Alkohol mehr auf öffentlichen Plätzen verkauft werden, das Konsumieren alkoholischer Getränke ist ab 23 Uhr verboten.
Argumentiert wird die Entscheidung vom sozialdemokratischen Oberbürgermeister Dieter Reiter mit den steigenden Corona-Infektionszahlen in München. Die sogenannte 7-Tage-Inzidenz zeigt an, wie viele Neuinfektionen es in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern gab. Am Freitag lag dieser Wert in München über der definierten kritischen Grenze von 35 (35,27), somit trat das Verbot in Kraft. Vorerst gilt die Allgemeinverfügung eine Woche, dann wird die Situation anhand der Zahlen neu beurteilt.
Wien käme, bei rund 400.000 Einwohnern mehr als München, derzeit auf eine 7-Tage-Inzidenz von 46,7. An vergleichbare Maßnahmen denkt die Stadt aber nicht, wie Wien.memo aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) erfuhr – weder jetzt, noch in naher Zukunft. Im August handelte es sich bei den Hauptansteckungswegen in Wien um die eigene Familie bzw. den eigenen Haushalt (41,9 Prozent), Pausen- und Aufenthaltsräume im Betrieb (19,5 Prozent) sowie Infektionen aufgrund von Reisen (18 Prozent). Der Krisenstab der Stadt glaubt nicht, dass sich ein Alkoholverbot wie in München positiv auf diese Hauptansteckungswege auswirken würde, so ein Sprecher von Stadtrat Hacker. Dazu sei bis jetzt in ganz Österreich noch keine Infektionskette bekannt, die auf einen Aufenthalt im Freien zurückzuführen wäre.
Abgesehen davon sei zu klären, ob die Polizei überhaupt ausreichend Ressourcen zur Verfügung hätte, um ein Verbot im gesamten Stadtgebiet entsprechend zu exekutieren. In München ist die Polizei dazu angehalten, bei unerlaubtem Alkoholkonsum 150 Euro Strafe einzuheben, als Verkaufender drohen mindestens 500 Euro Strafe. Ausgenommen davon ist allerdings ein Münchner, der bereits mit einer Klage gegen das Verbot am städtischen Verwaltungsgericht erfolgreich war. Oberbürgermeister Reiter nahm die Maßnahme daraufhin aber nicht zurück und geht von einem Einzelfall aus. Nun beschäftigt sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als nächste Instanz mit dem Fall.
Ein effektiveres Mittel wäre es laut Münchner Ersturteil, das Verbot zunächst auf Hotspots in der Stadt zu beschränken. So schwebt es auch der ÖVP für Wien vor, allerdings vorrangig aus Sicherheitsgründen. Nach Vorbild des Alkoholverbots am Praterstern, das seit April 2018 gilt, fordert sie, wie auch die Wiener FPÖ, unter anderem Alkoholverbote an den Bahnhöfen Meidling und Floridsdorf sowie an weiteren Stationen der U-Bahn-Linie U6. ÖVP-Quereinsteiger Peter L. Eppinger hätte sich ein solches am vergangenen Wochenende wohl auch am Karlsplatz gewünscht. Dann hätte er sich beim wahlkampfwirksamen Müllsammeln das eine oder andere Mal Bücken erspart.
Andreas Terler