In Wien und Linz sind Mitte Juni fünf Männer und eine Frau festgenommen worden, weil sie mindestens zehn Opfer verfolgt, bedroht oder verletzt haben sollen. Die Tschetschenen im Alter zwischen 19 und 37 Jahren stehen im Verdacht, einer Gruppierung anzugehören, die sich als "Sittenwächter" versteht. In den Fokus der Gruppe gerieten tschetschenische Frauen, die sich "zu westlich" verhielten.
Die hierarchisch strukturierte Gruppierung soll seit zumindest Anfang des Jahres agiert haben, berichtete die Polizei. Die Mitglieder sollen aus Tschetschenien stammende Frauen, in manchen Fällen auch deren Partner und Familien, belehrt, bedroht und verfolgt haben - und zwar, wenn sich diese nach Ansicht der Beschuldigten "zu westlich" oder nicht den Wertvorstellungen entsprechend verhalten hatten.
Bereits Foto in Badekleidung genügte
Die Opfer berichteten, dass beispielsweise ein Foto in Badebekleidung oder eine Beziehung zu einer nicht tschetschenisch-stämmigen Person ausgereicht hatte, um ins Visier der Gruppe zu geraten. Die Polizei geht davon aus, dass es sowohl weitere Opfer als auch weitere Täter gibt. Die Ermittlungen laufen, teilte ein Polizeisprecher am Donnerstag mit.
Die Täter gingen jedenfalls systematisch vor, schilderte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Zuerst sollen die Mitglieder der Gruppierung den Bekanntenkreis, aber auch Soziale Medien, durchforstet haben. Gab es Anhaltspunkte für "Vergehen", wurde jemand losgeschickt, um mit der jeweiligen Frau zu sprechen. Hat das nicht gefruchtet, wurden auch Familienmitglieder in die Drohungen miteinbezogen, so die Polizei.
Weiters sollen Bilder der Frauen in Moscheen aufgehängt worden sein, um sie zu denunzieren. Laut Polizei folgten bei Nicht-Einlenken der Frauen weitere Drohungen und auch Gewalt, egal ob Zuhause oder am Arbeitsplatz. Initiiert wurden die Taten laut Polizei eher von den älteren Mitgliedern der Gruppe.
Bei den mit Unterstützung des Einsatzkommandos Cobra erfolgten Festnahmen wurden an den Wohnadressen der Beschuldigten in Wien und Linz Mobiltelefone, diverse Gas- und Schreckschusswaffen sowie 5.000 Euro Bargeld sichergestellt. Ob die Waffen bei den Drohungen an die Frauen zum Einsatz kamen, konnte die Polizei am Donnerstag nicht sagen. Die Verdächtigen sollen aber in Sozialen Netzwerken damit posiert haben, hieß es.
Ins Rollen war der Fall gekommen, nachdem sich eine betroffene Frau an die Polizei gewandt hatte. Daraufhin meldeten sich weitere Frauen, die Ermittlungen der Polizei starteten. Bisher sind zehn Opfer bekannt. Die Beschuldigten wurden wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte angezeigt, insbesondere wegen des Verdachts der mehrfachen Körperverletzung, Nötigung sowie der kriminellen Vereinigung.
Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich über die Vorfälle entsetzt. "Frauen leben in Österreich frei und wählen ihren Lebensweg selbst. Wenn diese Selbstbestimmung der Frau beschnitten wird, werden Menschenrechte verletzt", erläuterte Raab. Ein Aufbau von Parallelstrukturen würde bestraft. Integration bedeute auch immer, die Grundwerte und Freiheiten Österreichs zu akzeptieren.
Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte in einer Aussendung, dass man solche Leute nicht fördern, sondern abschieben müsse.