Was für viele als bereichernde Zeit mit der Familie wahrgenommen wurde, hat in manchen Familien eine ohnehin schwierige Situation noch verstärkt. Besonders erschreckend sind die Zahlen aus Oberösterreich. Während des Lockdowns wurden deutlich mehr Kinder Opfer von häuslicher Gewalt als im Vergleichszeitraum im Jahr davor. Auch insgesamt stieg die Zahl der Polizeieinsätze in Oberösterreich wegen häuslicher Gewalt. So wurden 64 Fälle dem Gewaltschutzzentrum zugewiesen, wo ein Elternteil gegen den Nachwuchs rabiat geworden ist, im gleichen Zeitraum 2019 waren es 26. Insgesamt sind vom 15. März bis 3. Mai die polizeilichen Einsätze im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent auf 228 gestiegen. Auffällig viele Minderjährige suchten Hilfe und Schutz bei der Einrichtung. Deren Zahl ist vom 15. März bis 30. Juni im Vergleich zum Vorjahr um 83 Prozent auf 125 gestiegen.
Österreichweit verzeichnete das Innenministerium unterdessen einen leichten Anstieg der 14-tägigen Betretungs- und Annäherungsverbote. Ein Vergleich der Zahlen von 2020 mit jenen vergangener Jahre ist allerdings nicht möglich, da mit dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes 2019 mit 1. Jänner 2020 eine andere Zählweise angewandt wird. Insgesamt kann man aber davon ausgehen, dass die Coronakrise die Situation rund um häusliche Gewalt verschärfen würde. „Kinder und Jugendliche sind die Leidtragenden, wenn es kriselt, vor allem in der Familie“, zieht Christian Moser, Geschäftsführer SOS-Kinderdorf, Bilanz über die Zeit des Lockdowns.
Kommentar
Situation in der Steiermark
In der Steiermark gab es keinen bemerkenswerten Anstieg der Fallzahlen. „Was wir bemerkt haben, ist, dass jetzt viele Menschen in Krisensituationen sind. Vor allem Jugendliche betrifft das sehr, weil sie gerade in diesem Alter viel Kontakt brauchen“, erklärt Marina Sorgo, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Steiermark.
Das bemerkte man auch bei der Sorgenhotline „Rat auf Draht“. „In der Phase des Corona-Lockdowns haben sich besonders viele Kinder und Jugendliche bei uns gemeldet, die von Streit in der Familie und zwischen den Eltern berichteten“, sagt Birgit Satke, Leiterin von „Rat auf Draht“.
Im Vergleichszeitraum zum Vorjahr gab es bei den Anrufen etwa einen Anstieg von 63 Prozent zum Thema Scheidung. Von Mitte März bis Ende Mai 2020 gab es rund 170 Anrufe zum Thema Konflikt zwischen Eltern, etwa gleich viele Anrufe wie im gesamten Jahr 2019 zu diesem Thema. Auch bei Rainbows, wo man sich um Kinder in Trennungssituationen kümmert, mehren sich Anmeldungen zu Elternberatung und Kinderbegleitung.
Situation in Kärnten
„Das kommt jetzt alles erst so langsam“, sagt Astrid Liebhauser, Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft zur Situation in Kärnten: „Wir bearbeiten eine Vielzahl von Fällen und erfahren nach und nach, was sich während des Lockdowns abgespielt hat.“ Gegen Ende der verschärften Corona-Maßnahmen habe es mehr Anfragen gegeben als zu Beginn der Phase. „Mehrfachbelastung führt jetzt oft noch zu einer Verschärfung der Konflikte.“ Das sagt auch Roswitha Bucher, Chefin des Kärntner Gewaltschutzzentrums.: „Vermutlich haben sich viele zunächst gar nicht gemeldet, weil sie das Gefühl hatten, dass sie der Situation während des Lockdowns sowieso nicht entkommen können.“