Erstmals seit 1968 lässt Frankreich in diesem Jahr sein „Bac“, die mit der schriftlichen Matura vergleichbaren Abschlussprüfungen, ausfallen. Auch die traditionellen „A-Levels“ in Großbritannien wurden aufgrund der Coronakrise gestrichen. Die Abschlusszeugnisse werden auf Basis bisheriger schulischer Leistungen vergeben.
In Österreich zieht Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) die Zentralmatura trotz der wochenlangen Schulsperren im Vorfeld durch. „In bestimmten Situationen müssen wir milde und nachgiebig sein“, sagte Faßmann bei der Bekanntgabe der Entscheidung Anfang April.
Heute geht es mit den „nicht standardisierten Prüfungsgebieten“ (Biologie, Physik etc.) los. Morgen folgt dann die Zentralmatura in Deutsch, am Mittwoch Mathematik, am Donnerstag Englisch. Bis zu 40.500 Kandidaten werden es österreichweit an AHS und BHS sein, dazu kommen 4500 bei der Berufsreifeprüfung. In der Steiermark werden 5223 Schüler antreten, in Kärnten haben sich 2790 Schüler zur Matura angemeldet.
Einmal pro Stunde wird gelüftet
Die Maturanten, die seit 4. Mai wieder zurück in der Schule sind, müssen mit Mund- Nasen-Schutz zu ihrem Platz gehen und haben je eine Stunde länger zum Bearbeiten der Aufgaben Zeit. Einmal pro Stunde müssen die Prüfungsräume für mindestens fünf Minuten gelüftet werden. 207.000 Prüfungshefte mit 4,2 Millionen Seiten sind für die Zentralmatura gedruckt worden.
Die Entscheidung für eine Durchführung der „verschlankten“ Matura bewerten Experten unterschiedlich. „Das ist eine überflüssige Übung, auf die man verzichten könnte“, sagt der Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann von der Uni Wien zur Kleinen Zeitung. „Auch in Ländern mit Spitzenuniversitäten fallen die Abschlussprüfungen in diesem Schuljahr aus. Da sind im internationalen Vergleich keine Nachteile zu erwarten.“
Unter Corona-Bedingungen die Matura zu machen, verstärke die Ausnahmesituation einer solchen Prüfung. Selbst wenn die Ergebnisse der Zentralmatura ähnlich gut wie in den letzten Jahren ausfallen sollten, „war es pädagogisch immer noch falsch, die Matura durchzuführen“, meint Hopmann. Er sieht Nachteile für Schüler aus schwierigeren sozialen Verhältnissen, für die die letzten Monate noch belastender waren.
"Wollen nicht der Corona-Jahrgang sein"
Konrad Krainer, Bildungsexperte an der Uni Klagenfurt, bewertet es hingegen positiv, dass die Matura durchgeführt wird. „Das ist ein objektiver Vergleich und die Schüler brauchen nicht das Gefühl zu haben, dass ihnen etwas geschenkt wird. Sie wollen nicht der Corona-Jahrgang sein“, argumentiert Krainer. „Ich erwarte mir auch keine großen Probleme. Lehrkräfte berichten, dass sie das gut im Griff haben.“ Kritisieren könne man, „dass es lange gebraucht hat, bis der Fahrplan kommuniziert wurde“.
Begründen lasse sich die Durchführung der Matura auch mit der Entwicklung der Coronazahlen in Österreich. „Gesundheit geht vor. Wären wir in Amerika, würde ich wohl empfehlen, auch die schriftliche Prüfung zu streichen“, sagt Krainer. Schüler, die zur Corona-Risikogruppe gehören, dürfen die Matura in einem separaten Raum bearbeiten.
Note aus Abschlusszeugnis zählt dazu
Die Bewertung setzt sich in diesem Jahr jeweils zur Hälfte aus der Prüfungsnote und der Note im Abschlusszeugnis zusammen. Steht ein Schüler zwischen zwei Noten, zählt die Prüfung stärker. Die mündliche Matura entfällt – wer will, kann jedoch freiwillig auch mündlich antreten. Anmelden mussten sich die Schüler dafür vor Beginn der schriftlichen Matura. „Gut, dass diese Möglichkeit angeboten wird“, konstatiert Krainer. „Es kann sein, dass sich da jemand ausbessern möchte – beim Aufnahmeverfahren an einer internationalen Uni kann eine Note besser einen großen Unterschied machen.“