Es ist ein heikles Thema für das Gesundheitsministerium: Eine millionenschwere Investition in Antikörpertests wird unter Experten heftig diskutiert. Ausgangspunkt des Streits ist eine Bestellung von rund einer Million Antikörpertests einer chinesischen Firma durch das Gesundheitsministerium, mit einem Stückpreis – laut Ministerium – von fünf Euro. Das wird offiziell bestätigt. Und: „Aufgrund der angespannten Marktlage war eine rasche Bestellung erforderlich.“
Die MedUni Wien habe aber im Vorfeld eine „Verifizierung der Herstellerangaben“ vorgenommen. Dass lediglich eine Verifizierung bei so einem Einkaufswert vorgenommen worden sein soll, wirft Fragen in der Medizinerszene auf.
Die Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie bleibt in Bezug auf die vom Ministerium bestellten Antikörpertests skeptisch: Es gebe zu diesen Tests keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Daten und Publikationen.
Tests nicht mehr erste Wahl
Man werde mit diesen Tests wohl nicht arbeiten. Ganz einfach deshalb, weil im Vergleich zu den aktuell erhältlichen Testsystemen der angekaufte Test nicht mehr die erste Wahl ist. Deshalb könne man die Entscheidung nicht nachvollziehen. Die Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie betont, in den Kauf- und Entscheidungsprozess des Ministeriums nicht involviert gewesen zu sein.
Bei der MedUni Wien kommentiert der verantwortliche Virologe Lukas Weseslindtner den Vorwurf fehlender wissenschaftlicher und aussagekräftiger Publikationen zu den Tests so: „Diese Daten werden generiert, und wenn diese Daten nicht veröffentlicht wurden, heißt das nicht, dass sie nicht vorliegen.“ Es dauere einfach, bis Daten publik gemacht würden, so Weseslindtner, der zuletzt mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei der Pressekonferenz zu Antikörpertests auftrat.
Sinnvoll für Studien
Man müsse sich immer fragen, wozu Antikörpertests eingesetzt würden. „Deshalb gehören diese Tests in die Hände von Experten.“ Man habe aber Anwendungsgebiete für den umstrittenen Antikörpertest aus China ausgemacht. „Unter bestimmten Bedingungen kann es sinnvoll sein. Etwa für Studien, in denen die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Coronavirus gemessen werden kann. Gemeinsam mit anderen Tests“, erklärt Weseslindtner.
Antikörpertests wurden seit Beginn der Corona-Pandemie kritisch hinterfragt, die Ärztekammer warnte anfangs sogar vor dem großflächigen Einsatz. Weil deren Ergebnisqualität umstritten war. Das ist auch ein Diskussionspunkt beim vom Ministerium angekauften Test. Weil eben neuere Tests bessere Daten aufweisen sollen.
Grundsätzlich gibt es Faktoren, die das Auslesen von Antikörpertests erschweren können. Im Blut eines Menschen können Antikörper gegen ein anderes Virus sein, die den Covid-19-Antikörpern ähnlich sind, und der Test schlägt an, obwohl der Betroffene nie Kontakt mit Sars-CoV-2 hatte.
Deshalb raten Experten, das Ergebnis mit einem Neutralisationstest bestätigen zu lassen. Antikörpertests können außerdem wenig über eine bleibende Immunität aussagen – darum geht es derzeit vor allem auch in der Forschung rund um die Corona-Pandemie.
Didi Hubmann