Kann eine Handy-App der Heilsbringer in einer Pandemie sein? Mehr noch: Darf sie das überhaupt? Die Debatten um die Applikation "Stopp Corona" des Roten Kreuzes ebben nicht ab, im Gegenteil, Kritiker und Datenschützer erheben weiter ihre Stimme und meinen, die App gebe falsche Sicherheit und sei nicht praxistauglich.
Wie funktioniert "Stopp Corona"? Wie viele Verbindungen entstehen bei einem gewöhnlichen Supermarktbesuch? Um das zu testen, hat die Kleine Zeitung einen Selbstversuch unternommen. Zur Erinnerung: Mithilfe der App können sich Personen freiwillig miteinander verbinden – automatisch oder manuell. Im Falle einer Infektion warnt man rasch und anonymisiert all jene, mit denen man in Kontakt war, die Betroffenen können sich umgehend isolieren. Nach einem 20-minütigen Einkauf wies die App keine Verbindungen auf, obwohl zumindest eine Person, die die App installiert hatte, in unmittelbarer Nähe war. Jedoch klappen automatische Koppelungen erst, wenn man zumindest 15 Minuten lang weniger als zwei Meter voneinander entfernt ist. Damit wird vermieden, dass jeder kurze Zufallskontakt registriert wird.
Der Selbstversuch im Video:
Der manuelle "Handshake" funktionierte problemlos: Das Smartphone erhält eine zufällig generierte ID, wählt man jene des gewünschten anderen Handys, poppt schon die Verbindungsbestätigung auf. Als umständlich offenbarte sich ein Apple-spezifisches Problem: iPhone-Benutzer müssen die App ständig geöffnet haben – läuft sie nur im Hintergrund, lässt das Handy keine automatische Verbindung zu.
Nutzen steigt, wenn Beschränkungen gelockert werden
Fazit: In einer Zeit, wo das Zunahekommen vermieden werden soll, sind kaum automatische Verbindungen nur logisch. Die Parameter – maximal zwei Meter Abstand in 15 Minuten – können aber geändert werden, sollten dies Experten für sinnvoll halten, erklärt Rot-Kreuz-Sprecher Thomas Marecek und betont: Die App, die bislang rund 370.000 Mal auf Endgeräte geladen wurde, gewinnt an Nutzen, wenn die Regierung Beschränkungen weiter lockert und Menschen einander vermehrt in Einkaufszentren, Öffis oder Bildungsinstituten begegnen.
Selbst Google und Apple reichen sich mittlerweile die Hände, was den bedeutenden Stellenwert solcher Apps im Kampf gegen das Virus unterstreicht. Die beiden Rivalen wollen bis Mitte Mai Schnittstellen in ihren Betriebssystemen (iOS und Android) öffnen, die Gesundheitsbehörden dann in ihren Anwendungen einbauen können. Apps wie "Stopp Corona" könnten dann unabhängig von der Plattform funktionieren. Die beiden Konzerne betonen, dass der Datenschutz dabei eine zentrale Rolle spielen soll und man mit der EU-Initiative PEPP-PT zusammenarbeite, mit der auch die Rot-Kreuz-App kooperiert.