Arbeitnehmervertreter stoßen sich an einer Ausnahmeregelung beim am Montag präsentierten Schutz von Risikogruppen vor dem Coronavirus. Demnach sollen diese vom Dienstgeber frei gestellt werden, wenn etwa Arbeit von zu Hause aus nicht möglich ist. Für Mitarbeiter kritischer Infrastruktur gilt dies allerdings nicht, kritisieren Gewerkschaft und Arbeiterkammer.
"Es ist unfassbar, dass die Regierung Hochrisikogruppen im systemrelevanten Bereich vom Schutz durch Freistellung ausnimmt", findet Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA-djp. Gerade in systemrelevanten Bereichen wie Handel, Pflege oder der Kinderbetreuung seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr nahen und sehr vielen sozialen Kontakten täglich ausgeliefert. Dass Risikogruppen ausgerechnet hier nicht freigestellt werden, ist für Teiber "ein Skandal".
Für eine Differenzierung der COVID-19-Risikogruppen tritt der Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, ein. Man sollte zwischen Hochrisiko-Patienten und "erweiterter Risikogruppe" unterscheiden - und letztere sollten nach Rücksprache mit einem Arzt selbst entscheiden können, ob sie die Möglichkeit des Homeoffice bzw. der Freistellung nützen.
Außerdem forderte Lehner eine Risikogruppen-Regelung auch für Selbstständige, Unternehmer und Landwirte. Ihnen sollte eine Alternative zur bezahlten Freistellung der Arbeitnehmer angeboten werden. Auch ihnen müsste, wenn sie zur Risikogruppe gehören, ermöglicht werden, ihre Gesundheit zu schützen.
Für AK-Präsidentin Renate Anderl ist es "unverständlich und inakzeptabel", dass in systemrelevanten Bereichen Beschäftigte vom Schutz ausgenommen werden. "Das Virus macht keinen Unterschied zwischen Berufsgruppen, die Politik darf das auch nicht tun", meinte sie. Ärztinnen und Ärzte müssten zudem anhand der Richtlinien selbst Atteste ausstellen können, auch wenn die Patienten - wie vorgesehen - noch keine individuelle Information der Krankenversicherungen bekommen haben.
"Das nächste gefährliche Chaos" aus dem Gesundheitsministerium nach dem Oster-Erlass droht für NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. "Chronisch Kranke, aber auch Menschen mit überstandener Krebserkrankung haben jetzt die große Sorge, dass sie ihren Chefs Informationen über die eigene Krankheit preisgeben müssen und dadurch stigmatisiert und diskriminiert werden", befand er. Dies sei "verrückt", Gesundheitsdaten gingen die Arbeitgeber nichts an.
Kritik regte sich auch vonseiten der Arbeitnehmervertreter der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Auch für sie ist weiterhin offen, ob ein behandelnder Arzt einem Patienten auch ohne Brief der Krankenkasse ein Attest ausstellen darf. "Dadurch wird wertvolle Zeit vergeudet", so der Arbeitnehmer-Obmann der ÖGK, Andreas Huss.