Das Rote Kreuz, das die Corona-App entwickelt hat, ist gegen eine Verpflichtung zur Nutzung der Anwendung. "Wir glauben an die Freiwilligkeit. Zwang ist immer ein schlechter Motivator", sagte Bundesrettungskommandant Gerry Foitik am Samstag in einer Aussendung. Er argumentierte mit Zahlen: Innerhalb einer Woche hätten 180.000 Menschen die "Stopp Corona"-App heruntergeladen.
Alle Nutzer seien wie auch das Rote Kreuz selbst davon überzeugt, dass sie mit der Nutzung der App Familie und Arbeitskollegen vor einer Ansteckung schützen können. "Ich bin mir sicher, dass jeder seine Familie schützen möchte", so Foitik, "deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass sich weiterhin viele Menschen die App installieren werden und der Staat ohne eine Verpflichtung auskommen wird". Eine Verpflichtung sei zudem nie Basis der Überlegungen als Initiator der App gewesen, betonte der Bundesrettungskommandant.
Sobotka für Verpflichtung
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) plädiert für eine Verpflichtung. "Wenn evident ist, dass wir die Menschen schützen können und jeder Kontakt festhalten wird, dann sage ich dazu Ja", sagte er laut Vorausmeldung im Nachrichtenmagazin "profil". Zudem hält er Teilverstaatlichungen im Gegenzug für Hilfen für sinnvoll.
Wenn die Rote-Kreuz-App einen gewissen Verpflichtungsgrad hat, könnte sie noch mehr helfen, glaubt der Nationalratspräsident. Verfassungsrechtlich geprüft werde derzeit, ob für Menschen, welche die App nicht installieren, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt bleiben soll. Wenn man die Verpflichtung zur App zeitlich befristet und mit einer Sunset-Klausel versieht, die ein Außerkrafttreten vorsieht, dann sei das mit der EU-Datenschutzverordnung und der Verfassung vereinbar, beruft er sich auf nicht näher genannte Experten.
Experten: Verpflichtung zulässig
Experten der Johannes Kepler Universität sehen eine gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung der Corona-App europa-und verfassungsrechtlich zulässig und auch hinreichend sicher, wenn nur risikoreiche Kontakte ohne Ortsdaten, anonymisiert, möglichst dezentral und zeitlich befristet gespeichert werden. In der Praxis stellten sich aber heikle technische, sicherheitsrelevante und rechtliche Fragen.
Im neuen "JKU Corona Update" haben am Freitag die Experten der Johannes Kepler Universität eine mögliche gesetzliche Verpflichtung zur Nutzung einer Corona App diskutiert. Vom Design der App würden aber einerseits ihre Effektivität und andererseits der Datenschutz abhängen. "Je weniger und je dezentraler Daten anonymisiert gespeichert werden, desto mehr Datenschutz ist gewährleistet", hieß es in einer Aussendung.
Je weniger Personen die App benutzen, desto ineffektiver sei zugleich das System. "Will man daher die Nutzung der App gesetzlich anordnen, stehen Grundrechte auf dem Spiel", warnten die Experten aber zugleich. Die ersehnte Lockerung der aktuellen Maßnahmen hat für die Experten eine elementare Voraussetzung: "Das Virus darf sich nicht neuerlich exponentiell ausbreiten." Eine App könne dabei helfen, die Kontakte mit zu geringem Abstand automatisch zu erfassen.
Kritik von der SPÖ
"Irritiert" zeigte sich hingegen der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried über den Wunsch des Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) nach der verpflichtenden Nutzung der App: "Überschießende und unverhältnismäßige Verfassungsänderungen, die in den Hinterzimmern der Regierung formuliert werden und vom Parlamentspräsidenten verkündet werden, wird es mit der SPÖ nicht geben."
Kommt es zu Eingriffen bei Grundrechten, müssten für Leichtfried nicht nur die selbstverständlichen parlamentarischen Prozesse eingeleitet werden, sondern auch so früh wie möglich unabhängige Verfassungs- und Datenschutzexperten eingebunden werden.
Eine solche Situation darf auch nicht dafür verwendet werden, überschießende Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechten zu legitimieren.