Obwohl der Gletscherschwund im Gletscherhaushaltsjahr 2018/19 weniger stark ausgefallen ist als in den Jahren zuvor, haben die Experten am Freitag davor gewarnt, eine Trendwende darin zu sehen. Von den 92 untersuchten Gletschern gingen 86, also rund 94 Prozent, zurück, fünf Gletscher blieben jedoch stationär und einer wies sogar einen geringen Vorstoß auf.
Der mittlere Längenverlust betrug 14,3 Meter und lag damit unter dem Wert des Vorjahres mit minus 17,2 Metern und sehr deutlich unter dem Wert des Jahres 2016/17 mit minus 25,2 Metern. Das Gletscherhaushaltsjahr 2018/19 sei jedoch erneut als sehr gletscherungünstig zu charakterisieren und reihe sich nahtlos in eine lang anhaltende Periode außerordentlich gletscherungünstiger Bedingungen ein. Das sei ein Effekt des herrschenden Klimawandels, erklärten die beiden Leiter des Alpenverein-Gletschermessdienstes Gerhard Lieb und Andreas Kellerer-Pirklbauer, beide vom Institut für Geografie und Raumforschung an der Universität Graz.
Kein Grund zur Freude
Obwohl fünf Gletscher praktisch unverändert blieben und einer sogar geringfügig vorstieß, bedeute dies jedoch keinesfalls, dass die seit Jahrzehnten andauernde Rückzugstendenz der Gletscher gebremst worden sei, meinte Lieb. In den meisten Fällen lagen die Enden dieser Gletscher unter Altschnee aus dem vorangegangenen Winter. "Beim einzigen vorstoßenden Gletscher fand auch nicht wirklich ein aktives Vorstoßen der Eismassen statt - es wurde mehr ein 'nach vorne Kippen' des Eisrandes dokumentiert", dämpfte Lieb den positiv wirkenden Anschein.
Hervorzuheben sei auch, dass sich alle stationär gebliebenen Gletscher in den Hohen Tauern befinden. "Dies ist auch ein Signal dafür, dass die Bedingungen im Osten der österreichischen Alpen etwas gletschergünstiger waren, als das im Westen der Fall war", erklärte der Experte. Auch der einzige im Vorstoß begriffene Gletscher, das Maurerkees in der Glocknergruppe südwestlich des Kitzsteinhorns mit einem Vorstoß von 2,2 Metern, liegt ebenfalls in den Hohen Tauern.
In weiten Teilen der österreichischen Alpen sei der Winter 2018/19 überdurchschnittlich niederschlagsreich gewesen. Dies führte laut Kellerer-Pirklbauer dazu, dass auch weit herabreichende Gletscherzungen, wie etwa die der Pasterze, bis in den Juni hinein von einer Schneeschicht bedeckt waren. Der Monat Mai 2019 sei rund drei Grad zu kalt gewesen, so Kellerer-Pirklbauer. Darauf folgte jedoch der wärmste Juni der gesamten Messgeschichte, der um vier Grad zu warm war.