Einen großen Teil ihrer Kindheit verbrachte Simona ohne ihre Mutter. Gemeinsam mit ihren zwei Geschwistern wuchs sie bei der Großmutter auf, während ihre Mutter zehn Jahre lang in Österreich schwerkranke Menschen pflegte. Zwei Wochen arbeiten, zwei Wochen bei der Familie.
Simona und Anna Durisova. 30 und 52 Jahre alt. Sie sind Mutter und Tochter. Sie kommen aus einem Ort namens Velky Krtis im Süden der Slowakei. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie jedes andere Mutter-Tochter-Paar auch. Doch ihre Geschichte unterscheidet sich von den Geschichten der meisten Österreicherinnen. Gemeinsam haben die beiden es geschafft der prekären Beschäftigung in der 24-Stundenpflege den Rücken zu kehren.
Ein Minivan holte Anna seinerzeit nachts um zwölf in Velky Krtis ab und fuhr sie gemeinsam mit anderen Frauen ins Nachbarland, damit sie frühmorgens bei den Klienten war. “Fast jede zweite Frau in unserem Ort pflegt in Österreich”, erzählt Tochter Simona. Viele entschlossen sich nach der samtenen Revolution 1989 zu diesem Schritt, weil es sich damals finanziell lohnte. “Bevor ich diesen Beruf ergriffen habe, war ich Versicherungsangestellte”, ergänzt Anna.
Mein Lohn basierte auf Provision und war sehr unregelmäßig. Eine Bekannte hat mir dann erzählt, dass man in Österreich besseres Geld verdienen könne, und mit drei Kindern war ein stabiles Einkommen wichtig.
Eine Ausbildung als Krankenpflegerin hatte sie also nicht. Ein 80-stündiger Kurs beim Roten Kreuz sollte sie auf die harte Realität einer 24-Stundenpflegerin vorbereiten. Bezahlen musste sie den Kurs aus eigener Tasche. “Umgerechnet etwa 800 Euro hat der Kurs damals gekostet,” sagt sie, “Das klingt jetzt nach nicht viel, aber für mich war das damals viel Geld.” Bereit, so sagt sie heute, war sie beim Antritt ihrer ersten Stelle keinesfalls.
So hat Anna sich bei ihrem ersten Einsatz gefühlt:
“Du betreust wirklich schwer kranke Leute, und du bist ganz auf dich gestellt. Du hast keine pflegerische Ausbildung, bist aber ganz alleine für Pflege und meist auch noch den Haushalt und den Garten verantwortlich. Am Anfang hatte ich richtig Angst. Das ist gefährlich für dich, und es ist gefährlich für den Patienten. Oft geben dir die Agenturen auch falsche Informationen und sagen ‘ach, der ist nicht schwer krank, das wird ganz einfach’, und dann findet man jemanden mit Katheter und schwerer Demenz vor.”
Über die zwei Wochen, die die Einsätze dauern, lebte Anna Durisova bei ihren Patienten. Eine Agentur vermittelte sie 2004 zu ihrem ersten Auftrag ins Wiener Umland, zu einem bettlägerigen Patienten, der gemeinsam mit seiner Frau lebte. 42 Euro verdiente sie damals pro Tag und schickte viel davon zurück in die Slowakei. “Das klingt jetzt wenig, aber damals mit dem Umrechnungskurs, war das ein recht gutes Gehalt. Nachdem wir den Euro bekommen haben, hat sich das alles angeglichen.” Zwei Stunden freie Zeit hatte Anna pro Tag in dieser Zeit. Wirklich abschalten, sagt sie, könne man aber nicht.
Du bist ständig in der Angst, dass dein Patient ruft oder das etwas passiert. Du bist schließlich verantwortlich. Da kann man sich kaum abgrenzen und sagen: ‘nein, ich habe jetzt aber frei’, wenn er etwas braucht.
Larissa Eberhardt