Eine Vielzahl an Forschungsprojekten und klinischen Studien zum neuen Coronavirus weckt bei Vertretern der österreichischen Pharmaindustrie Hoffnung auf rasch verfügbare Therapieoptionen. Trotz Möglichkeiten zur Beschleunigung von Entwicklung und Zulassung dürfe der Weg dorthin über "fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse" aber nicht verlassen werden, heiß es am Freitag vor Journalisten.

Das Auftauchen des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 und der davon ausgelösten Covid-19-Erkrankung bringe auch für die Pharmaindustrie "herausfordernde Zeiten" mit sich, sagte der Generalsekretär des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig), Alexander Herzog, auf einer virtuellen Pressekonferenz in Wien. Noch nie hätten Unternehmen "so schnell reagiert", man beobachte momentan eine "beeindruckende Zusammenarbeit" in Forschung und Entwicklung.

Die wiederkehrende Frage nach präventiv wirkenden Impfstoffen einerseits und nach Wirkstoffen, mit denen akut Erkrankten geholfen werden kann, andererseits treibe die gesamte Community an. Die rund 13 Jahre, die es für solche Entwicklungen unter normalen Umständen benötigt, werde es in diesem Fall nicht brauchen, zeigten sich die Experten überzeugt. So könnten umfassende klinische Erprobungen bereits zugelassener Medikamente, wie dem HIV/Aids-Medikament Lopinavir/Ritonavir, dem Ebola-Medikament Remdesivir oder dem Anti-Malariamittel Chloroquine relativ bald Aufschluss über deren Wirksamkeit gegen Covid-19-Erkrankungen bringen.

158 Studien

Insgesamt befassen sich aktuell international 158 Studien mit dem Coronavirus, zwei klinischische Studien laufen momentan mit Impfstoffkandidaten, weitere 48 präklinische Tests aus diesen Bereich sind ebenfalls am Weg. Das "Who-is-Who der Industrie" forsche momentan unter Hochdruck, das gelte auch für die heimische Pharmaindustrie, betonte Herzog. Einen Überblick über Aktivitäten in Österreich biete seit kurzem die Branchen-Plattform "LISAvienna" auf ihrer Website.

Die Initiative der Bundesregierung, einschlägige Forschung relativ kurzfristig mit 23 Millionen Euro zusätzlich zu unterstützen, wird von der Pharmaindustrie "ausdrücklich begrüßt", sagte Herzog. Auf europäischer Ebene brauche es jetzt "Vorrang für große randomisierte Studien", in die möglichst alle EU-Länder einbezogen werden. Längerfristig müsse man sich Gedanken darüber machen, wie einerseits Österreich als "Forschungshotspot" ausgebaut und pharmazeutische Entwicklung und Produktion wieder verstärkt in Europa stattfinden kann.

Deutlich mehr zur Wirksamkeit von erprobten Medikamenten in Bezug auf Covid-19-Erkrankungen werde man schätzungsweise in ein "einem halben Jahr bis einem Jahr" wissen, so der Vorsitzende des "Standing Committee Klinische Forschung" der Pharmig, Stefan Kähler. Dieser "Off-Label-Use" habe den Vorteil, dass "man nicht bei der Grundlagenforschung, sondern meistens bei Phase III-Studien" beginne, in der es nach mehrere vielversprechenden Heilversuchen um die Bestätigung der vermuteten Wirkung geht.

Trotz erster nicht allzu vielversprechender Erkenntnisse zu Lopinavir/Ritonavir sollte man, "nicht zu früh über die Wirksamkeit von Medikamenten urteilen". Auch wenn momentan angesichts der sich dramatischen entwickelnden Pandemie "die Zeit drängt", dürfe man nicht vergessen, dass "nur gute, fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse" auch wirklich weiter helfen, sagte Kähler. Den Boden der Anwendung "höchster ethischer Grundsätze", wie etwa der Freiwilligkeit an der Teilnahme an Studien, dürfe man auch angesichts der aktuellen Dramatik nicht verlassen.

Impfstoffentwicklung

Das gelte auch für die Impfstoffentwicklung, wo man vor allem durch die große Ähnlichkeit des neuen Virus mit dem 2002 aufgetretenen SARS-Virus auf rasche Fortschritte hofft. "Das Glück, dass Covid-19 sehr ähnlich ist", verkürze die Phase der Grundlagenforschung. Gegenüber den Ausbrüchen von SARS oder MERS müsse man auch bedenken, dass heute die Technologien zur Impfstoffentwicklung deutlich fortgeschritten seien. Dass hier aktuell viele verschiedene Ansätze verfolgt werden, sei ein weiterer Vorteil, so Kähler.

Im Endeffekt wird es für die vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten eine "bedingte und befristete Zulassung" ("Conditional approval") geben. Sollte die öffentliche Gesundheit bedroht sein, erhält man diese für ein Jahr, gleichzeitig muss weiter zur Wirksamkeit, Sicherheit und Co geforscht werden. Schlussendlich brauche es auch noch die nötigen Produktions- und Lieferkapazitäten, um "die Versorgung im großen Maßstab sicher zu stellen", betonte Kähler, der in etwa einem Jahr mit geeigneten Vakzinen rechnet. Dass es deutlich schneller geht, sei zwar nicht auszuschließen, aber sehr fraglich, so der Experte.