Fake News nehmen rund um das Coronavirus stark zu. Die Journalistin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig sammelt auf ihrem Blog nun die krassesten Beispiele und setzt sie in Bezug zu bereits erfolgten Faktenchecks durch anerkannte Plattformen wie mimikama.at oder correctiv.org. Mit der APA spricht sie künftig regelmäßig über aktuelle Fälle - und wie man sich dagegen wehren kann.
Das größte Problem scheint derzeit WhatsApp zu sein. "Derzeit werden sehr viele Gerüchte oder glatte Erfindungen über WhatsApp verbreitet. Der Messenger funktioniert in kleinen, privaten Runden. Daher ist es für uns Journalisten besonders schwierig zu sehen, was hier passiert", so Brodnig. Daher hat sie Nutzer dazu aufgerufen, ihr solche privat weitergeleiteten Nachrichten zum Thema Coronavirus per E-Mail zu schicken. "Wenn mir plötzlich fünf oder sechs Menschen dasselbe schicken weiß ich, dass die Meldung offenbar derzeit weit verbreitet ist." Eines der Probleme sei, dass ausgerechnet privaten Nachrichten oft der größte Glauben geschenkt wird, da er von Menschen kommt, denen man vertraut.
Je brisanter, desto Fake
Hier gelte es, das eigene Sensorium zu schärfen. Denn: "Je brisanter eine Meldung ist, je eher ich das Gefühl habe, ich muss sie sofort weiterleiten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um Fake News handelt." Was also tun? Oft reicht es schon, den Inhalt der Nachricht gemeinsam mit dem Wort "Faktencheck" in eine Suchmaschine einzugeben. Sehr oft haben sich mit dem Thema bereits seriöse Faktenchecker auseinandergesetzt. Dann gilt: Die Nachricht nicht weiterverbreiten!
Daher sei es derzeit sehr wichtig, innerhalb von Familie und Freundeskreisen auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Zugleich mit dem Hinweis auf die Fake News solle man aber auch mit seriösen Nachrichten "gegensteuern". Besonders geeignet seien hier grafisch aufbereitete Informationen aus offizieller Quellen, da Bilder und Grafiken besser verarbeitet würden als Texte. Fest steht: "Je mehr sich die Diskussion in geschlossene Gruppen zurückzieht, desto schwieriger ist die Aufarbeitung."
Auch diverse YouTube-Känäle bereiten Brodnig derzeit Sorgen. Hier macht es Sinn, sich das Impressum anzusehen sowie darauf zu achten, welche anderen Videos der Kanal bisher geteilt hat. "Wenn im Impressum steht 'Nur die Wahrheit zählt' und kein Name oder keine Organisation, ist das etwa kein gutes Zeichen." Auch kann man den Inhaber des Kanals googeln, oft gibt es über seine Machenschaften bereits Berichterstattung anderer Medien.
Zahlreiche glaubwürdige Quellen
Warum sie sich selbst nun engagiert, liegt daran, dass sie Informationen bündeln und auf andere Faktencheck-Seiten aufmerksam machen will. Zugleich setzt sie unter die von ihr gefundenen Beispiele aber auch Entgegnungen, die in herkömmlichen Medien erschienen sind oder Wortmeldungen von Experten. "Ich will aufzeigen, dass es viele glaubwürdige Quellen gibt, um Falschnachrichten entgegenzuwirken", so Brodnig. Das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Menschen ein Bewusstsein dafür entwickeln. "Ich sehe mich als Brücke zwischen der öffentlichen Debatte und der Fach-Community."
ZUR PERSON: Ingrid Brodnig, geboren 1984, ist Autorin und Journalistin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft. Sie hat drei Bücher zu diesem Themenkomplex verfasst, zuletzt "Lügen im Netz", das sich mit politischer Manipulation im Internet beschäftigt, und "Hass im Netz", das erklärt, was wir als Gesellschaft gegen Hasskommentare, Mobbing und Lügengeschichten tun können. Sie verfasst die wöchentliche IT-Kolumne namens #brodnig für das Nachrichtenmagazin Profil. Ihre Arbeit wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, etwa dem Bruno-Kreisky-Sonderpreis für das politische Buch. Sie hält regelmäßig Vorträge und Workshops zu Themen der Digitalisierung.
Faktenchecks zu aktuellen Fake News
VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN: Hochsaison haben laut Brodnig gerade diverse Verschwörungstheorien wie zum Beispiel: Das sei alles eine Manipulation des Mainstreams, das sei Panikmache. Solche Behauptungen reichen bis zur These: Krankmachende Viren würden generell nicht existieren. Viele solche Thesen stammen von Vertretern der Esoterik-Szene. Hier gilt es, andere Videos oder Beiträge des Autors unter die Lupe zu nehmen um zu sehen, ob er gerne Verschwörungstheorien teilt. Auch ein Blick ins Impressum kann helfen, etwa, wenn dort kein richtiges Impressum steht und der Medieninhaber verheimlicht wird. Diesem Thema hat sich die Plattform Correctiv ausführlich gewidmet (https://correctiv.org).
VERHARMLOSUNGEN: Besonders bedenklich sind laut Brodnig derzeit vermehrte Handlungsanweisungen, wie man sich bei einer Infektion selbst behandeln könnte bzw. wie man eine solche selbst testen oder gar verhindern könne. So wird etwa dazu geraten, die Luft zehn Sekunden anzuhalten. Sollte man danach nicht Husten, sei man nicht infiziert. Ein anderes Posting ruft dazu auf, möglichst oft mit warmem Wasser und Essig zu gurgeln, weil dies das Virus erfolgreich abtöten könne. Diese "Anweisungen" seien höchst gefährlich. Laut Brodnig werden sie vor allem deshalb geteilt, weil die Menschen nach Sicherheit suchen und sich beruhigen wollen.
TROLL-NACHRICHTEN VIA WHATSAPP: In vielen Fällen muss man davon ausgehen, dass es sich um Troll-Nachrichten handelt, bei denen Absender ein Spiel mit der Angst treiben zur eigenen Belustigung. Zum Beispiel kursiert derzeit eine via Messenger verbreitete Nachricht, dass Hubschrauber ab 23.30 Uhr Desinfektionsmittel über der Stadt versprühen würden. Diese Meldung wurde von den Faktencheckern von mimikama bereits entkräftet (www.mimikama.at).
NACHAHMEN SERIÖSER QUELLEN: Ein Twitter-Account, der der Optik des britischen Senders BBC nachempfunden wurde, verbreitete jüngst die Meldung, der "Harry Potter"-Darsteller Daniel Radcliffe sei an Coronavirus erkrankt. Die (übrigens falsche) Nachricht verbreitete sich rasant, da die Menschen laut Ingrid Brodnig einer vermeintlich sicheren Quelle trauten. Ebenso wurden gefälschte Sprachnachrichten von Politikerstimmen verbreitet. "Das Nachahmen seriöser Quellen ist ein beliebter Trick, um spektakuläre Behauptungen zu verbreiten."
POLITISCHE MOTIVE: Immer wieder werden Fake News auch dazu benützt, um politische Inhalte zu transportieren. Brodnig berichtet von einer Meldung, wonach infizierte Flüchtlinge nach Kärnten gekommen seien und das Virus dort verbreiten würden. "Solche Nachrichten sind geeignet dazu, die Wut auf Geflüchtete anzuheizen", so Brodnig. Es werde gegen ohnehin schon bestehende Feindbilder mobilisiert.
FAKES IN DER EIGENEN GEMEINDE: Hier verweist Brodnig auf eine bewusste Falschnachricht von zwei Männern, die die Polizei bereits ausforschen konnte. Sie hatten ein Foto gepostet und behauptet, dass in Hallein die erste Person positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Dieser Fall zeige, dass es nicht gesichert ist, im Netz anonym zu bleiben und Polizeiarbeit dazu führen kann, Urheber zu ermitteln.
ÖKONOMISCH MOTIVIERTE FAKE NEWS: Manche Urheber von Fake News setzen auch auf das schnelle Geld und bieten etwa allerlei Heilmittel an. Von diesen seien unbedingt die Finger zu lassen.
WENN ÄRZTE DAS GEGENTEIL SAGEN: Besonders weit verbreitet ist derzeit auch ein Video des Mediziners Wolfgang Wodarg, der die Coronavirus-Pandemie als Panikmache darstellt. Die Gefahr ist nun, dass Bürger die aktuellen Gesundheitsauflagen nicht ernst nehmen, da der Ratschlag von einem Mediziner stammt. Diesen Fall beleuchtet Brodnig ausführlich in ihrem Blog.