Sechs Morde und sechs Mordversuche an Frauen in neun Wochen, diese schreckliche Bilanz haben der Verein AÖF - Autonome Österreichische Frauenhäuser und die Türkische Kulturgemeinde (TKG) zum Anlass für einen offenen Brief an die Regierung genommen. Sie fordern, dass Frauen "endlich ernst genommen" werden, wenn sie Anzeigen erstatten.

"Faktisch wöchentlich wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet oder lebensgefährlich verletzt", heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Appell. Das bisher letzte und jüngste Opfer ist eine 16-Jährige, die von ihrem Ex-Freund in Wien mit 30 Messerstichen lebensbedrohlich verletzt wurde. "Sie erstattete davor bereits wegen Körperverletzung eine Anzeige. Aber er wurde nicht in U-Haft genommen, sondern nur auf freiem Fuß angezeigt", so die Kritik. "In Folge hat er seine Ex-Freundin fast ermordet und sie schwebt noch immer in Lebensgefahr."

Keine Einzelfälle

Es handle sich um keinen Einzelfall, betonten AÖF und TKG. "Wir wissen, dass viele Mörder und Gewalttäter bereits polizeibekannt, gefährlich, bedrohlich und auffällig sind, aber viele dieser gefährlichen Täter werden nicht in U-Haft genommen, sondern lediglich auf freiem Fuß angezeigt." Viele Frauen erstatteten Anzeige, diese würden aber häufig eingestellt, "da nicht lückenlos ermittelt wird". Auch Freisprüche seien mitunter darauf zurückzuführen, dass "zu wenig ermittelt wird".

Nur etwa zehn Prozent der Anzeigen bei häuslicher Gewalt endeten mit einer Verurteilung. Oft habe man mit Wiederholungstätern zu tun: Bei 92 Prozent der polizeilichen Wegweisungen sei bereits zuvor eine Straftat begangen worden.

Effektive Maßnahmen gefordert

"Diese ermordeten und schwerverletzten Frauen hätten vielleicht gerettet und unterstützt werden können", hieß es abschließend. Gefordert werden "endlich effektive Maßnahmen: Frauen, die Anzeige erstatten, müssten ernst genommen und bestmöglich vor Gewalt geschützt werden, gefährliche Täter rasch zur Verantwortung gezogen werden. "Wir fordern Sie auf, klare Richtlinien und Gefährlichkeitseinschätzungen für U-Haftanträge zu erstellen", hieß es in dem an alle Regierungsmitglieder und explizit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) adressierten Schreiben. Weiters brauche es verpflichtende Schulungen für Anwälte, Staatsanwälte und Richter, mehr Geld für Gewalt- und Opferschutz sowie eine finanzielle Absicherung der Frauenhelpline.