Ein pensionierter Offizier des Österreichischen Bundesheeres steht ab Montag, 2. März, wegen des Vorwurfs der Spionage in Salzburg vor Gericht. Der 71-jährige Salzburger soll zumindest 25 Jahre für den russischen Militärgeheimdienst tätig gewesen sein und rund 280.000 Euro kassiert haben. Nach einem russischen Verdächtigen, offenbar ein Führungsoffizier, wird noch gefahndet.
Laut Anklage soll der Salzburger Offizier von 1992 bis Ende September 2018 geheime Informationen über das Österreichische Bundesheer weitergegeben haben. Dabei sollen Waffensysteme und Aufgabenstellungen der Land- und Luftstreitkräfte im Vordergrund gestanden sein. Über den Verdächtigen wurde am 30. November 2018 die U-Haft verhängt. Er sitzt in der Justizanstalt Salzburg hinter Gitter.
Beschuldigter bestreitet Vorwürfe
Laut dem Verteidiger des Salzburgers, Michael Hofer, bestreitet der Beschuldigte die ihm zur Last gelegten Vorwürfe. "Er sagt, dass er zu keiner Zeit Staatsgeheimnisse oder militärische Geheimnisse verraten hat", sagte der Rechtsanwalt zur APA. Sein Mandant habe erklärt, er sei ein Patriot und könne aus Gewissensgründen niemals sein Land verraten.
Konkret werden dem Oberst außer Dienst das Vergehen des Betreibens eines geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs, das Verbrechen des Verrats von Staatsgeheimnissen und das Verbrechen der vorsätzlichen Preisgabe militärischer Geheimdienste vorgeworfen. Bereits im Jahr 1987 soll es während eines Auslandseinsatzes erste Kontakte zum russischen Militärgeheimdienst "Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije" (GRU) gegeben haben. Ab Anfang 1990 soll der Salzburger dann Informationen über das Österreichische Bundesheer an die Russen weitergegeben haben.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg wirft dem Beschuldigten vor, "in ein strukturiertes staatliches Agentennetzwerk" eingebunden gewesen zu sein. Für seinen jahrzehntelangen Einsatz - auch über die Pensionierung hinaus - habe er rund 280.000 Euro lukriert.
Ermittlungsverfahren gegen Russen
In dieser Causa hat die Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Russen Igor Egorovich Zaytsev (65) eingeleitet. Bei dem Mann handle es sich um einen Führungsoffizier des russischen Militärgeheimdienstes. Er wird seit Juli 2019 per europäischem und internationalem Haftbefehl gesucht. Der Russe steht im Verdacht, den Salzburger zur Spionage instruiert zu haben. Der konkrete Vorwurf lautet, er habe ihn zum Betreiben eines geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs, des Verrats von Staatsgeheimnissen und der vorsätzlichen Preisgabe militärischer Geheimnisse angeleitet und ihm gewisse Korrespondenzmethoden beigebracht.
Laut den Salzburger Behörden wurde im Zuge von Ermittlungen durch einen ausländischen Dienst ein operatives Arbeitstreffen zwischen dem mutmaßlichen Bundesheer-Spion und dem russischen Führungsoffizier beobachtet. "Bei diesem Treffen wurden dem Österreicher im Gegenzug für die Preisgabe von Informationen seitens des Führungsoffiziers nahezu 30.000 Euro in bar übergeben", hat es in einer gemeinsamen Aussendung von Polizei und Staatsanwaltschaft Salzburg im Juli 2019 geheißen.
"Für die länderübergreifenden Spionagetätigkeiten bedienten sich der Bundesheer-Spion und der russische Führungsoffizier neben dem Agentenführungsfunk und einer hochkomplexen Satelliten-Kommunikation auch weiterer moderner Spionagetechniken, welche einer regelmäßigen Ausbildung des Spions sowie einer dementsprechenden Anleitung durch den Führungsoffizier bedurften." Durch Sonderermittlungstechniken sei es dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Salzburg gelungen, dies zu analysieren und die Geräte auszuwerten.
Keine geheimen Informationen
Der Salzburger Ex-Offizier hat bisher erklärt, er sei immer wieder mit gewissen Personen aus dem Ausland in Kontakt gestanden, auch mit einer bestimmten Person. Und er habe auch Informationen weitergeben. Diese seien aber nicht geheim gewesen, er habe sie aus öffentlich zugänglichen Quellen geschöpft. Ähnlich der Tätigkeit eines Auslandskorrespondenten habe er Berichte in Tageszeitungen, im Internet - beispielsweise auf Wikipedia unter dem Titel "Austrian Air Force" und in weiteren einschlägigen Veröffentlichungen herausgesucht, zusammengefasst, weitergegeben und dafür innerhalb von 25 Jahren insgesamt rund 220.000 Euro lukriert. "Wie weit das strafbar ist, ist die Frage", sagte sein Verteidiger.
Laut dem Beschuldigten lernte er im Jahr 1987 einen russischen Attache im Ausland kennen. Mit der Zeit entstand eine Freundschaft. Der Mann sei sympathisch und kunstinteressiert gewesen, das habe seine Neugier geweckt. Etwas später lernte er den mutmaßlichen Führungsoffizier kennen. Auch mit diesem Russen entwickelte sich eine gewisse Art von Freundschaft, die bis zur "Enttarnung" gehalten hat. Von dem Mann habe er das Geld erhalten.
Im Sommer 2019 kamen weitere Details über den Fall zutage. Demnach arbeitete der Salzburger Oberst seit 1990 im Wiener Verteidigungsministerium, zunächst in der "relativ unbedeutenden" Abteilung für die Vorschriftenerstellung, in den letzten fünf Jahren vor seiner Pensionierung aber in der Abteilung für die Strukturplanung. Außerdem soll er vor dieser Zeit als UNO-Soldat am Golan und in Zypern stationiert gewesen sein. Laut "Salzburger Nachrichten" besuchte der Oberst auch NATO-Kurse und soll Informationen daraus an Russland weitergegeben haben.
Verteidiger Hofer hatte am 3. Dezember 2019 seine Bedenken über die Rechtmäßigkeit der Ermittlungen des Heeresabwehramtes gegen den Salzburger geäußert. "Er wurde psychisch extrem unter Druck gesetzt", hatte der Rechtsanwalt damals gegenüber der APA erklärt. Die Vorgehensweise des Abwehramtes sei grundsätzlich in Bezug auf erhebliche Verstöße gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens beziehungsweise auf Verstöße gegen die Menschenrechte zu prüfen, sagte Hofer. Die genaue Rolle des Heeresabwehramtes müsse noch hinterfragt werden.
Ende November 2019 hatten Medien aus einem Dossier zitiert, welches offenbar von Mitarbeitern des Heeresabwehramtes verfasst wurde und in dem von illegalen Ermittlungen des Abwehramtes die Rede war. Das Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe zurück. Der Oberst aus Salzburg sei ohne Rechtsanwalt befragt worden, lautete die Kritik in dem Dossier. Der militärische Nachrichtendienst, der den 71-Jährigen zu den Vorwürfen befragt habe, hätte zudem früher die Justiz informieren müssen und nicht erst, nachdem Medien und die Politik in einer Pressekonferenz darüber öffentlich berichteten.
Justiz-Insidern zufolge wird der Prozess gegen den Salzburger Ex-Offizier am Landesgericht Salzburg vermutlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Selbst wenn die Verteidigung keinen entsprechenden Antrag einbringen werde: Der Richter oder der Staatsanwalt könnten diesen Schritt mit Verweis auf §229 Strafprozessordnung "wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit" tun. Es wurden fünf Verhandlungstage fixiert: 2., 3., 6., 17. und 19. März.