Um Rufmord in einem Wiener Kleingartenverein ist es am Donnerstag in einer Verhandlung im Landesgericht für Strafsachen gegangen. Eine 70-jährige Frau wurde wegen Verleumdung zu 15 Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde ihr im Hinblick auf ihr vorgerücktes Alter und ihre bisherige Unbescholtenheit bedingt nachgesehen.
Dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge schob die Pensionistin und Schrebergarten-Besitzerin im vergangenen Sommer einem anderen Kleingarten-Bewohner wüste Unterstellungen in die Schuhe. In anonymen Briefen an den Stadtschulrat, die Kinder- und Jugendhilfe (MA11) und die Erzdiözese hieß es, der Familienvater kläre seine Tochter mit Porno-Videos auf und vergreife sich im Pool in seinem Garten an Mitschülerinnen des Mädchens. Die Schreiben bewirkten, dass die MA11 die elfjährige Tochter vorlud und zu möglichen Übergriffen seitens des Vaters befragte. Der Stadtschulrat dachte wiederum Erhebungen an der Schule an, an welcher der Vater als Lehrer beschäftigt ist. Ehe es dazu kam, stellte sich zum Glück für den Betroffenen nach kriminalpolizeilichen Erstermittlungen die Haltlosigkeit der Verdächtigungen heraus.
Die Angeklagte - von Verteidigerin Astrid Wagner tatkräftig unterstützt - behauptete vor Richter Peter Sampt: "Ich hab' damit überhaupt nichts zu tun." Sie kenne den Mann nur flüchtig vom Sehen und habe mit diesem nie Streitigkeiten ausgetragen. Es gebe daher kein Motiv, warum sie über ihn tatsachenwidrige Behauptungen verbreiten hätte sollen.
Überraschende Wende
Das Beweisverfahren wartete dann mit einer Überraschung auf. Eine als Zeugin geladene gute Bekannte der Angeklagten - die beiden verbindet eine "Hunde- und Turnfreundschaft", wie die 56 Jahre alte Frau erklärte - gab zu, auf Bitte und in Anwesenheit der Angeklagten die Briefe verfasst zu haben. Sie sei von dieser dafür auch bezahlt worden und habe 100 Euro pro Schreiben kassiert.
"Sie hat mich um Hilfe gebeten", gab die Zeugin zu Protokoll. Sie habe sich darauf eingelassen, "weil ich das Ausmaß nicht erkannt habe. Ich habe einen Fehler gemacht".
Den Ausführungen der 56-Jährigen zufolge, denen die Angeklagte mit versteinerter Miene folgte, wurden die Briefe in einem Internet-Cafe fabriziert. Sie habe sie abgetippt, weil sich die Angeklagte in der Schreibweise unsicher gewesen sei: "Sie wollte es nicht machen. Ich wurde nur benützt in meiner gutmütigen Art. Weil ich ein Trottel bin, habe ich das gemacht."
Auf die Frage des Richters, warum sie sich jetzt offenbare, erwiderte die 56-Jährige: "Ich kann seit diesem Zeitpunkt nicht mehr schlafen. Ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich bin fix und fertig." Auf die Frau kommt nun ebenfalls ein Strafverfahren wegen Verleumdung zu. Sie nannte auch das Motiv, weshalb die 70-Jährige gegen den Mann vorgegangen sei: "Sie wollte den anderen was auswischen."
Regelmäßig Nachbarn terrorisiert
Wie aus weiteren Zeugenaussagen hervorging, dürfte die 70-Jährige in der Kleingarten-Anlage seit vielen Jahren Nachbarn terrorisieren, weil die zentrale Mülltonnen-Sammelstelle sich ausgerechnet vor ihrer Parzelle befindet und Versuche, diese zu verlegen, fehlgeschlagen sind. Seither soll sie Nachbarn beschimpfen und schon über mehrere Personen haltlose Gerüchte verbreitet haben.
Am Ende hatte der Richter keinen Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten, die nach dem Zeugenauftritt ihrer Freundin behauptet hatte, diese habe sich "mit den anderen" gegen sie verschworen und sage die Unwahrheit. "Sie sind eindeutig schuldig", beschied der Richter der 70-Jährigen und nannte ihr Vorgehen "menschlich verwerflich". Die Verteidigerin legte gegen die Verurteilung umgehend Rechtsmittel ein.