Das Schweizer Institut Agridea und das Tiroler Büro Alpe haben im Auftrag der Steuerungsgruppe Herdenschutz des Landes die Mach- und Umsetzbarkeit verschiedener Herdenschutzmaßnahmen untersucht. Die Ergebnisse zeigen nun, dass Herdenschutz nicht auf allen Tiroler Almen möglich ist. LHStv. Josef Geisler (ÖVP) fordert deshalb, über eine gezielte Regulierung des Wolfsbestandes nachzudenken.
"Von den NGOs wird immer so locker dahergesagt, dass es nur Herdenschutz brauche, so locker geht es aber eben nicht", meinte Agrarlandesrat Geisler zu den Studienergebnissen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Es werde zukünftig die ein oder andere Entnahme brauchen, sagte der Landeshauptmannstellvertreter. Zudem sei der Bestand an Wölfen mittlerweile wieder auf rund 30.000 angewachsen. "Der Wolf ist nicht mehr vom Aussterben bedroht. Man muss sich über den Schutzstatus Gedanken machen", forderte Geisler.
Schafbauern verunsichert
In Tirol gebe es auf 400 Almen rund 68.000 Schafe. Im vergangenen Jahr sind laut dem Agrarlandesrat 58 Tiere zu Schaden gekommen. "Das ist ein eher verschwindender Anteil, doch die Schafbauern sind verunsichert", sagte Geisler. Es sei aber nicht so sehr ein finanzielles Thema, es gehe vor allem auch um die emotionale Belastung der Bauern. Deshalb sollte bei diesem Thema, das "die Gesellschaft spaltet", ein pragmatischer Zugang gewählt werden, meinte der LHStv.
Für die Studie wurden vier Almen und eine Vorweide untersucht. Die Ergebnisse reichen laut den Studienautoren von einer relativ einfachen Machbarkeit des Herdenschutzes, bis zu überhaupt keiner Machbarkeit. Die Kosten würden sich auf elf bis 80 Euro pro Schaf pro Jahr belaufen. So würden beispielsweise für die Seeben Alm in Ehrwald in etwa Kosten von 25.000 Euro pro Jahr anfallen. Die größten Herausforderungen in Tirol seien die Behirtung und die Änderung der Almstruktur, erklärte Daniel Mettler des Instituts Agridea.
In der Schweiz, wo andere rechtliche Rahmendingungen als in Österreich gelten, habe man gesehen, dass der Herdenschutz auch Grenzen habe, so Mettler. Zudem würden die Wölfe auch lernen, die Maßnahmen zu umgehen. "Deshalb wäre es sinnvoll, die Maßnahmen mit gezielten Abschüssen und einer Regulierung des Bestandes zu kombinieren", fügte der Schweizer hinzu.
Geisler forderte deshalb eine gesellschaftspolitische Diskussion ein. "Wenn die Gesellschaft will, dass Wölfe da sind, muss man auch die Maßnahmen finanzieren", betonte der LHStv. In Tirol soll nun ein Pilotprojekt zum Herdenschutz gestartet werden. "Wir werden einzelnen Almen Angebote machen", sagte Geisler. Konkretere Pläne dazu gab es vorerst aber noch nicht.
Herdenschutz laut WWF "alternativlos"
Verstärkte Herdenschutzmaßnahmen sind indes laut WWF "alternativlos". Auch wenn der Einsatz von Elektrozäunen und Schutzhunden eine Herausforderung im hochalpinen Gelände darstelle, führe an der Anpassung der Almbewirtschaftung kein Weg vorbei, hieß es seitens des WWF in Reaktion auf die am Donnerstag präsentierte Machbarkeitsstudie.
Der von LHStv. Josef Geisler (ÖVP) geforderten Bestandsregulierung erteilte der WWF eine klare Absage. "Es ist für die ohnehin unter schwierigen Bedingungen wirtschaftenden Almbäuerinnen und -bauern keine Hilfe, Abschussfantasien zu bedienen", meinte Christian Pichler, Wolfsexperte des WWF. Bei lediglich 30 bis 35 Wölfen auf österreichischem Gebiet und drei bis vier nachgewiesenen Wölfen in Tirol sei die Forderung nach Bejagung absurd. "Zumal diese nach geltendem europäischen Naturschutzrecht auf absehbare Zeit und aus gutem Grund nicht zulässig ist", so Pichler, der den angekündigten Pilotversuch aber begrüßte.
Der Präsident der Tiroler Landwirtschaftskammer, Abg. Josef Hechenberger (ÖVP), ortete hingegen nach der Präsentation der Machbarkeitsstudie noch viele offene Fragen. "Diese Studie ist eine gute Grundlage für weitere Diskussionen. Offene Fragen nach der Finanzierung und Ausbildung für benötigtes Personal, Material usw. gilt es aber noch zu klären", sagte der LK-Präsident. Die Erkenntnis, dass Herdenschutz ohne geregelte Entnahme von Wölfen nicht funktioniere, bekräftige die Position der Landwirtschaftskammer. "Damit ist eine konkrete Richtlinie für legale Abschüsse auf Landesebene unumgänglich", meinte Hechenberger.