Am Mittwoch ist am Wiener Landesverwaltungsgericht eine weitere Maßnahmebeschwerde eines Demonstranten behandelt worden, der der Wiener Polizei rechtswidriges Agieren bei einer Klima-Demo am 31. Mai vorwirft. Der Betroffene schilderte in seiner Einvernahme ausführlich, wie er sich nach Auflösen einer Sitzblockade widerstandslos wegtragen ließ. Danach hätten ihn mehrere Beamte misshandelt.
Einer der Polizisten, die ihn ergriffen hätten, habe ihn nach einigen Metern plötzlich losgelassen, so dass er zu Boden stürzte, berichtete der Demonstrant. Beim neuerlichen Hochheben habe man ihm die Hand "ganz stark nach innen gebogen, was sehr schmerzhaft ist. Das Gelenk wurde stark überdehnt". Er habe daher laut aufgeschrien. Darauf sei er abgelegt worden, und nunmehr habe man ihm beide Hände verbogen: "Ich habe furchtbar laut geschrien vor Schmerz." Da habe sich ein Polizist auf ihn "draufgelegt und mir im Zug des Drauffallens in die Hoden geschlagen". Derselbe Beamte habe ihm zusätzlich eine Faust in die Kehle gedrückt: "Er hat sich aufgestützt, die Faust richtig durchgedrückt und ist aufgestanden." Er habe nach der Dienstnummer des Beamten verlangt. Andere Polizisten hätten darauf eine Sperrkette gebildet, der Beamte sei entkommen.
Tritte und Schläge
Nunmehr sei er von weiteren Beamten zu Boden und in Bauchlage gebracht worden, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll. Er habe im Lendenbereich mehrere Tritte mit Stiefeln und Faustschläge - unter anderem in die Nierengegend - kassiert. Man habe ihm Handschellen angelegt, ihn als "Arschloch" beschimpft und in einen Arrestantenwagen verfrachtet.
Für Alexia Stuefer, die Rechtsvertreterin des Betroffenen, war die Rechtswidrigkeit der Amtshandlung evident. "Die unverhältnismäßige Gewaltanwendung widerspricht der Menschenrechtskonvention und sämtlichen Richtlinien", stellte die Anwältin fest.
"Von Jänner 2017 bis Mai 2019 gab es 1.244 Anzeigen wegen Misshandlungen durch Polizeiorgane. In 21 Fällen kam es zu einer Verurteilung. Diese Zahlen deuten unmissverständlich auf strukturelle Probleme innerhalb des Polizeiapparates hin", hatte Stuefer vor Verhandlungsbeginn gegenüber der APA dargelegt. Das Innenministerium weigere sich, sich ernsthaft und problemorientiert mit diesen Defiziten auseinanderzusetzen. Selbst der Innenminister habe gegenüber dem Parlament "objektiv unrichtige Zahlen genannt" und von einer nachfolgenden Bearbeitung des Videos gesprochen, das die Misshandlung ihres Mandanten dokumentiert und sich über soziale Netzwerke verbreitet hatte.
"Aus den Verfahrensakten geht die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Polizei in aller Deutlichkeit hervor. Anstatt auf das Angebot des Beschwerdeführers einzugehen und die Vorwürfe im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleiches aufzuarbeiten, werden haltlose Vorwürfe gegen ihn erhoben, ja sogar gegen ihn ermittelt", kritisierte Stuefer. Dabei sage schon der Hausverstand, "dass das Verabreichen von sieben Schlägen in die Nieren auf einen ohnehin schon am Boden liegenden Menschen nichts Anderes als entfesselte Gewalt ist". Dieses Verhalten sei "nicht nur rechtswidrig, sondern des Rechtsstaates unwürdig".
Stuefer kündigte zu Beginn der auf zwei Tage anberaumten Verhandlung die Vorlage eines weiteren, bisher nicht im Akt befindlichen Videos an, welches das rechtswidrige Vorgehen der Polizei noch deutlicher zeigen soll. Dieses Video sei inzwischen auch der Staatsanwaltschaft übermittelt worden, die nach den Gewalttätigkeiten am Ende der Demo gegen mehrere Beamte ermittelt.
Erst am vergangenen Donnerstag hat das Wiener Landesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Polizei während derselben Demonstration gegen einen jungen Manifestanten rechtswidrig vorgegangen ist. Demnach war es nicht rechtens, dass der deutsche Student in Bauchlage fixiert wurde, wobei sein Kopf in der Nähe eines Polizeiwagens zum Liegen kam. Als das Fahrzeug plötzlich anfuhr, wurde der Mann im letzten Moment zur Seite gerissen. Danach war der Betroffene fast vierzehn Stunden im Polizeianhaltezentrum (PAZ) festgehalten worden.