Eine ehemalige Miss Vienna-Kandidatin ist am Donnerstag am Landesgericht wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte am 15. Juli 2019 in der Attemsgasse in Wien-Donaustadt eine Frau niedergestochen, die mit dem Mann zwei Kinder hat, der auch der Vater ihres zwei Jahre alten Sohnes ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Angeklagte hatte gegen 21 Uhr an der Wohnung der 30-Jährigen geläutet, angeblich um mit ihr ein klärendes Gespräch zu führen. Als diese aufmachte, "hat sie gleich die Tür aufgeschlagen und ich hab' ein Messer gesehen. Ich dachte, ich bin in einem Traum", schilderte die Angegriffene nun einem Schwurgericht (Vorsitz: Andreas Böhm). Die Täterin habe ohne viele Worte zu verlieren auf sie eingestochen: "Ich habe gewusst, wenn ich nicht loskomme, sterbe ich. Ich wäre verblutet."

Wieder aufgerappelt

Die 30-Jährige stürzte zu Boden, aber es gelang ihr sich wieder aufzurappeln. Bei der Flucht aus ihrer Wohnung fügte ihr die 25-Jährige noch weitere Wunden zu - sieben von insgesamt zehn Stichen bzw. Schnitten gingen in den Rücken. Obwohl die Klinge die Brusthöhle eröffnete, dabei die linke Lunge beschädigt wurde und sich eine Einblutung sowie eine Luftsichel in der linken Brusthöhle bildeten, schaffte es die lebensgefährlich Verletzte, auf den Gang vor ihrer Wohnung zu kriechen. Dort rief sie laut um Hilfe und ließ sich die Stufen hinabrollen, um der Angreiferin zu entkommen, die sie bis dahin nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte.

Nachbarn hörten die Schreie, alarmierten Polizei und Rettung und sorgten dafür, dass die 30-Jährige überlebte. "Hätte es nicht eine rasche ärztliche Behandlung gegeben, wäre mit dem Tod infolge Verblutens zu rechnen gewesen", stellte Gerichtsmediziner Christian Reiter fest.

Die Angreiferin flüchtete vom Tatort, stellte sich aber wenig später in Begleitung ihres Vaters auf einer Polizeiinspektion. Mit Verteidiger Alexander Philipp zur Seite versuchte sie nun, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass sie die Frau nicht töten wollte. Sie habe mit der anderen Frau nur reden wollen. Die Waffen - neben dem Gemüsemesser, mit dem die Stiche geführt wurden, hatte die 25-Jährige auch ein Käsemesser dabei - habe sie mitgehabt, um die 30-Jährige einzuschüchtern. Diese habe sie nämlich "wie einen Kasperl" behandelt und an den Haaren gezogen, behauptete die Angeklagte: "Es war alles chaotisch. Ich weiß nur, dass ich ein paar Mal zugestochen habe."

On-Off-Beziehung

Bei dem Streit sei es nicht um den Mann gegangen, der Angeklagte und Opfer geschwängert hatte, sondern um ihr Kind, versicherte die 25-Jährige: "Ich wollte nur, dass mein Sohn bei ihm (dem Vater, Anm.) Urlaub machen kann." Die 30-Jährige habe sich jedoch dagegen ausgesprochen.

Der Mann hatte ab 2012 eine On-Off-Beziehung mit der 30-Jährigen geführt. Daraus gingen zwei Töchter hervor. 2016 lernte die Angeklagte dann den Portugiesen in einer Disco kennen, es entwickelte sich eine lose Beziehung, der gemeinsame Sohn kam 2017 zur Welt. Der Bub hat seinen Vater allerdings bisher nicht kennengelernt - der Mann lebt mittlerweile wieder in Portugal.

Dass der Mann weder von ihr noch etwas von seinem Sohn wissen wollte, dürfte der Angeklagten zugesetzt haben. Als sie erfuhr, dass die andere mit ihren Kindern in Wien zurückgelassene Frau - die beiden Frauen hatten sich über Facebook vernetzt, aber persönlich nie getroffen - den Mann dazu gebracht hatte, dass er seine Töchter im Sommer in Portugal als Feriengäste empfing, habe sie das auch für ihren Sohn erwirken wollen, behauptete die Angeklagte.

Knapper Schuldspruch

Sie habe die 30-Jährige auf dieses Vorhaben angesprochen, doch diese habe den Buben nicht gemeinsam mit ihren Töchtern nach Portugal schicken wollen. "Dabei hat mein Sohn eine schwere Zeit hinter sich gehabt", sagte die 25-Jährige. Sie habe mit der 30-Jährigen klären wollen, "dass wir uns vielleicht überzeugen, dass es besser wäre, wenn mein Sohn mitkommt". Als die Frau das ablehnte, sei sie "ziemlich enttäuscht gewesen", meinte die Angeklagte.

Der anklagekonforme Schuldspruch fiel mit 5:3 Stimmen knapp zugunsten der Staatsanwältin aus. Bei Stimmengleichheit wäre der inkriminierte Mordversuch vom Tisch gewesen. Verteidiger Alexander Philipp, der auf schwere Körperverletzung plädiert hatte, meldete gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Entscheidung ist damit nicht rechtskräftig.