Fünf Sterne für "sehr gut" bis ein Stern für "nicht genügend" – so lautet das Prinzip der Lehrer-Bewertungs-App "Lernsieg", die heute Vormittag in Wien präsentiert wurde.
Gründer der App ist der 17-jährige Schüler Benjamin Hadrigan, der in diesem Jahr ein Buch über das Lernen mit Social Media veröffentlicht hat und seit zwei Jahren als außerordentlicher Student Wirtschaftsrecht an der WU Wien studiert. Unterstützt wird er von einem Konsortium von Privatinvestoren und der auf Medienrecht spezialisierten Wiener Anwaltskanzlei Krüger-Bauer.
Im Interview mit der Kleinen Zeitung spricht Hadrigan über seine Beweggründe, erklärt, wie die App funktioniert und warum ihn die Wortmeldungen aus der Lehrergewerkschaft schockiert haben.
Wie bist du auf die Idee gekommen, Lehrer via App zu bewerten?
BENJAMIN HADRIGAN: In der Schule habe ich mir oft gedacht, dass viele Lehrer unglaublich engagiert sind. Die Leistung von diesen Lehrern wird aber oft nicht anerkannt. Als Schulsprecher wollte ich das Problem lösen und den Schülern meiner Schule ermöglichen, Feedback zu geben. Damals bin ich aber aus verschiedenen Gründen kläglich gescheitert. Der Gedanke hat mich aber nie losgelassen. Mir ist wichtig, dass Schüler gehört werden und dass gute Leistung anerkannt wird. Lehrer sind pragmatisiert und bekommen nach einer Alterspyramide mehr Gehalt. Ob ein Lehrer engagiert oder gut ist, ist komplett egal. Gleichzeitig werden Lehrer oft an den Pranger gestellt und gesagt, sie wären faul. Das finde ich furchtbar, weil damit ganz vielen tollen Lehrern unrecht getan wird. Ihre Leistung soll sichtbar werden.
Was hat der Name “Lernsieg” mit dem Bewerten von Lehrern zu tun?
HADRIGAN: “Lernsieg” ist mein Lieblingswort geworden. Unter diesem Namen habe ich auch ein Buch veröffentlicht, in dem ich erklärt habe, wie man mit Social Media lernen kann. Es ist geplant, die App weiter auszubauen und auch im Lernbereich zu erweitern. Dann wird der Name auch mehr Sinn ergeben.
Wie kann man als Schüler mithilfe von “Lernsieg” seine Lehrer oder seine Schule bewerten?
HADRIGAN: Zuerst muss man sich mit seiner Handynummer registrieren. Nach erfolgter Verifizierung können Schüler sowohl Schulen als auch Lehrer nach Kategorien bewerten. Bei Schulen sind das zum Beispiel Klassenzimmer, Sportanlagen, Mensa und Kantine oder auch Fridays for Future. Bei Lehrern lauten sie unter anderem Unterricht, Fairness, Respekt, Durchsetzungsfähigkeit und Pünktlichkeit. Jeder Schüler hat nur eine Stimme, bewertet wird mit ein bis fünf Sternen und es gibt keine Kommentarfunktion. So sollen Missbrauch und Diffamierungen verhindert werden.
Woher kommen die Daten der Schulen und Lehrer?
HADRIGAN: Wir haben keine Datenbank gehackt. Diese Daten sind indirekt öffentlich zugänglich. Ich habe von der Website des Bildungsministeriums alle Schulkennzahlen manuell herauskopiert. Das waren zirka 4.000 für uns relevante Schulen, also alle nach den Volksschulen, die nicht bewertet werden sollen. Ein Team von Studenten hat jede Schulwebsite besucht und die Daten der Lehrer zusammengetragen. Sollten die Daten nicht mehr stimmen, gibt es in der App auch die Möglichkeit, Änderungswünsche zu beantragen.
Ist es möglich, als Schüler auch Lehrer von fremden Schulen zu bewerten?
HADRIGAN: Das wäre theoretisch möglich, ja. Ich glaube aber, dass Schüler, wenn sie die Möglichkeit haben, etwas mitzugestalten, nur die Lehrer zu benoten, von denen sie auch unterrichtet werden.
Was passiert, wenn ein Schüler einen Lehrer bewertet hat, aber dann seine Meinung ändert?
HADRIGAN: Jeden Tag hat man die Möglichkeit, seine Bewertung neu zu überschreiben. Diese Funktion ist uns sehr wichtig. Wenn die Stimmung in einer Klasse nicht passt, wird der Lehrer mit der Klasse reden. Wird die Stimmung dann besser, kann sich das auch auf die Bewertung auswirken.
Wie konntest du Investoren von dem Projekt überzeugen? Wird die App etwas kosten?
HADRIGAN: Die App ist kostenlos und wird es auch bleiben. Irgendwann wird sich die Frage nach dem Umsatz stellen. Wir brauchen ja auch Geld, um das Projekt weiter auszubauen. Es gibt Pläne, wie wir es monetarisieren können. Jetzt warten wir einmal ab, wie die Schüler darauf reagieren. Dann setzen wir weitere Schritte.
Die Lehrergewerkschaft hat die App vorab scharf kritisiert. Hast du mit so viel Aufregung gerechnet?
HADRIGAN: Nein, ich war ehrlich gesagt ein wenig verwundert und auch schockiert. Die Reaktion von Herrn Kimberger (Lehrer-Gewerkschaftschef, Anm.) ist merkwürdig. Wenn man nicht weiß, wie die App funktioniert, wie kann man dann sagen, dass man die Betreiber verklagen wird? Er hat bis jetzt auch niemanden von dem Projekt kontaktiert.
Hätte man die Aufregung nicht verhindern können, wenn ihr als Betreiber von “Lernsieg” das Gespräch mit Bildungsverwantwortlichen gesucht hättet?
HADRIGAN: Lehrerbewertungen sind politisch schon länger ein Thema. Unser Projekt ging in den letzten zwei Monaten sehr schnell voran und wir haben beschlossen, jetzt zu starten. Ich bin aber gerne bereit, mit der Lehrergewerkschaft und auch mit Bildungsministerin Iris Rauskala Gespräche zu führen und gemeinsam an der App zu arbeiten.
Ein Kritikpunkt seitens der Lehrergewerkschaft ist, dass Persönlichkeitsrechte von Lehrern verletzt werden könnten. Warum bist du dir sicher, dass das nicht so ist?
HADRIGAN: Wir haben ein Rechtsgutachten erstellen lassen, damit sich die Firma, die die App entwickelt, an bestimmte Kriterien hält und damit die App nicht abgedreht werden kann. Ich bin mir sicher, dass die Juristen der Lehrergewerkschaft wissen, dass sie vor Gericht chancenlos sind. Natürlich muss Herr Kimberger aus Show-Gründen seine Mitglieder vertreten aber rechtlich haben sie keine Chance. In Deutschland gab es einen ähnlichen Fall mit der Plattform “Spickmich”, die juristisch nicht verboten wurde, obwohl sie sogar eine Kommentarfunktion hatte. Wir machen eine deutlich abgespecktere Variante, weil wir niemanden diffamieren wollen. Es ist eine kontrollierte App, die Transparenz im Schulsystem ermöglicht.
Andreas Terler