Von Wien bis Dublin, von Lissabon bis Stockholm: Vor allem in Ballungsräumen wird das Wohnen für immer mehr Menschen unerschwinglich. Laut „Eurostat“-Erhebung (2017) sind in Österreich 7,1 Prozent der Bevölkerung, mehr als 600.000 Menschen, von Wohnkosten bereits „überbelastet“, dabei befindet sich etwa die Bundeshauptstadt Wien mit einem monatlichen Durchschnittsmietpreis von 781 Euro nicht einmal unter den Top Ten der europäischen Städte: London führt mit 1848 Euro, gefolgt von Zürich (1525), Amsterdam (1508) und Dublin (1502).
Europaweit versucht nun die Europäische Bürgerinitiative „Housing for all“ Druck auf EU-Kommission und EU-Parlament zu erzeugen, um rechtliche und politische Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten – obgleich das Thema unmittelbar in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten gehört. Sprecherin der Initiative ist die Wienerin Karin Zauner-Lohmeyer, die mit ihren Mitstreitern in Spanien, Deutschland, Kroatien, Schweden, Portugal und Zypern bis März 2020 mehr als eine Million Unterschriften auftreiben will – dann müssen sich Kommission und Parlament mit dem Anliegen beschäftigen.
Das Problem sehen Zauner-Lohmeyer und die Initiative vor allem darin, dass viel zu wenig leistbarer Wohnraum gebaut wird. Selbst wenn Länder, Städte und Gemeinden gerne in kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau investieren wollten, werden sie durch EU-Gesetze beschränkt: „Wir fordern von der EU dringend nötige Reformen, damit wieder in kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau investiert werden kann.“ Öffentliche Investitionen in den sozialen Wohnbau sollen künftig den Staaten nicht als Schulden im Sinne der Maastricht-Kriterien angerechnet werden, sondern als Investition. Und es sollte ein eigener EU-Fonds über die Europäische Investitionsbank dafür eingerichtet werden. Außerdem sei es nötig, dass im EU-Beihilfenrecht die Beschränkung auf geförderten Wohnbau nur für die „Ärmsten der Armen“ aufgehoben wird. Zauner-Lohmeyer: „Ein völlig falscher Zugang. Wohnen muss für die breite Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen verfügbar sein. Die Staaten sollen ausschließlich selbst bestimmen, wer Zugang zum sozialen Wohnbau hat.“
Hoffnung in neue Kommission gesetzt
Hoffnung setzen die Aktivbürger in die neue EU-Kommission. So hat der designierte Arbeitskommissar Nicolas Schmit bei seinem Hearing das Thema ausdrücklich angeschnitten und versprochen, nach Möglichkeit Investitionen in Wohnbau attraktiver zu machen und auf die Mitgliedsländer einzuwirken.
Das Problem ist allerdings vielschichtig. Es brauche auch eine europaweite Antwort auf Plattformen wie Airbnb, da durch einträgliche Kurzzeitvermietung viel Wohnraum der einheimischen Bevölkerung entzogen wird: „Wohnen ist heute ein riesengroßes Geschäft, das für globale Investoren wie Pensionsfonds, Hedgefonds, Versicherungen etc. unfassbare Renditen abwirft. Wohnen ist aber keine Handelsware, mit der spekuliert werden soll. Wohnen ist ein Menschenrecht.“ Die Einkommen halten mit steigenden Wohnkosten nicht mehr Schritt, Menschen müssen die teuren Städte verlassen und aus dem Umland wieder einpendeln. In der EU schätzt man die jährliche Investitionslücke bereits auf 57 Milliarden Euro.
Im erst dieser Tage in Brüssel veröffentlichten Bericht „Zur Lage des Wohnens in der EU 2019“ weisen die Wissenschaftler des „Housing Europe Observatory“ auf die politische Komponente des Themas hin: Es sei ein schleichendes Problem, das den sozialen Zusammenhalt gefährde, zumal die Politik nicht angemessen reagiert. Fazit: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Kombination mit Zuwanderung führt zu einer weiteren Spaltung der europäischen Gesellschaft.