Als "massive Verzerrung und Missinformation der Öffentlichkeit", bezeichnete Walter Klepetko, Chef der Universitätsklinik für Chirurgie von MedUni Wien und AKH am Samstag gegenüber der APA Medien-Darstellungen zu Wiener Hilfsprogrammen für mittel-, süd- und osteuropäische Lungentransplantations-Aktivitäten.
Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" wurde einer Griechin, die an einer Lungenhochdruckerkrankung litt, am 8. Oktober von Ärzten des AKH nach nur wenigen Stunden auf der Warteliste eine Spenderlunge von der Organverteilungsstelle Eurotransplant eingesetzt. Das AKH hatte den Vorwurf des Verdachts des Verstoßes gegen Regeln bei Organspenden zurückgewiesen.
„Im Lichte dessen, dass der gesamte Prozess transparent und im Einklang mit allen Regeln ablief, verstehen wir nicht, wie hier Kritik aufkommen kann“, kommt nun auch aus Griechenland - von Andreas Karabinis, Präsident der griechischen Transplantationsorganisation - Protest gegen die Vorwürfe.
Zu schnell transplantiert?
Da die Verteilungskriterien von Eurotransplant sehr streng sind, müssen Patienten in der Regel monatelang auf ein Spenderorgan warten, einige Patienten sterben während dieser Zeit sogar. Durchgeführt wurde die Operation dann von Walter Klepetko, der auch Niki Lauda eine Lunge transplantiert hatte. Hier stehen Vorwürfe der Bereicherung im Raum, da Ärzte bei ausländischen Patienten weit höhere Summen einnehmen würden, als bei Österreichern.
Eines der größten Zentren weltweit
Klepetko, der in Wien eines der größten Zentren für Lungentransplantationen weltweit aufgebaut hat: "Wir haben seit Jahrzehnten an der Entwicklung von Lungentransplantationsprogrammen in Nachbarländern geholfen. Das ist öffentlich, publik und transparent - auch gegenüber der Eurotransplant - dargestellt worden. Wir waren maßgeblich daran beteiligt, dass Tschechien, Ungarn und Slowenien solche Programme haben. In Griechenland wurde der Start mit Lungentransplantationen im Juni mit unserer Hilfe vom Gesundheitsminister angekündigt. Die österreichische Botschafterin in Griechenland hat uns dazu gratuliert."
In Medien wird beispielsweise angedeutet, dass es Anfang Oktober bei einer 47 Jahre alten griechischen Patientin, die in Wien die Lunge aus Griechenland erhalten hatte, zu Unregelmäßigkeiten gekommen wäre. Klepetko: "Das ist nicht richtig. Die Patientin wartete extrem dringlich auf eine Lunge wegen schnell fortschreitenden Lungenhochdrucks. Wir hatten die griechischen Chirurgen eineinhalb Jahre lang ausgebildet. Das erste für eine Transplantation in Athen zur Verfügung gestandene Organ war gerade für diese Patientin passend. Aber wegen der in diesem Fall extremen Komplexität des Eingriffes sahen sich sowohl die griechischen Kollegen als auch wir nicht in der Lage, damit das neue Programm in Athen mit einem derart schwierigen Fall zu starten."
Vollständige Transparenz
Das weitere Vorgehen sei dokumentiert und vollständig nachzuvollziehen, betonte der Wiener Chirurg: "Mein Team wurde von den griechischen Kollegen ersucht, diese Patientin ausnahmsweise noch in Wien zu transplantieren. Ich habe dem nur zugestimmt, wenn das aus Griechenland stammende Organ bei Eurotransplant angemeldet würde. Das war transparent, nachvollziehbar und erfolgte nach allen gültigen Regeln. Aufgrund der Kriterien stand dieses aus Griechenland stammende Organ schließlich auch wirklich für den Eingriff an dieser Patientinzur Verfügung."
Die Kranke wurde nach Wien geflogen. Ein Wiener Chirurgenteam unterstützte die griechischen Ärzte bei der Organentnahme und -Vorbereitung. "Dann flog das Team wieder nach Wien, die Patientin erhielt die Lunge transplantiert", schilderte Klepetko.
"Wir haben in den vergangenen Jahren aus Griechenland um 22 mehr Lungen von Spendern erhalten als für griechische Patienten transplantiert wurden. Das alles lief über Eurotransplant", sagte Klepetko gegenüber der APA.
Proteste der Griechen
Die in Medien aufgetauchte Kritik am Ablauf der Lungentransplantation rund um eine griechische Patientin am Wiener AKH ruft scharfe Kritik vonseiten der griechischen Transplantationsspezialisten hervor. In einem Brief an die europäische Transplantationsorganisation Eurotransplant wird Aufklärung über die aktuelle Diskussion gefordert und die Unterstützung durch das Wiener Zentrum betont.
Die griechischen Spezialisten im Aufbau ihres eigenen Zentrums fordern von Eurotransplant Aufklärung über die Vorgänge, die zu den Medienvorwürfen geführt haben: "Im Lichte dessen, dass der gesamte Prozess transparent und im Einklang mit allen Regeln ablief, verstehen wir nicht, wie hier Kritik aufkommen kann. (...) Es ist auch nicht verständlich, dass hier schwere Anschuldigungen dafür getätigt werden, dass das Wiener Team uns dabei geholfen hat, unser Programm aufzustellen, während Eurotransplant jegliche Hilfe schuldig blieb."
Man fordere eine Erklärung über die Sachlage ein. Andernfalls müsse man sich nach anderen Partnern umsehen. Dies gelte auch für Bereitstellung von Spenderorganen aus Griechenland.
Kosten für Eingriff in Rechnung stellen
Klar sei, dass das Wiener AKH den Krankenversicherungen der ausländischen Patienten die Kosten für die Eingriffe in Rechnung stelle. "Das können je nach Krankenhausaufenthaltsdauer 70.000 oder 100.000 Euro sein. Das gesamte Ärzteteam erhält für den enormen Mehraufwand solcher Aktionen 17.000 Euro. Davon erhalte ich 20 Prozent, zwölf Prozent bekommt das AKH als Beitrag zur Infrastruktur, der Rest geht an das gesamte Team. Das ist ein völlig legaler und transparenter Prozess. Es zahlen die Krankenversicherungen der jeweiligen Länder, nicht die Patienten", sagte Klepetko.
Insgesamt habe man über den Zeitraum von zwei Jahrzehnten mit dem Programm in enger Kooperation mit Nachbar-, osteuropäischen und südosteuropäischen Staaten für Österreich eine positive Bilanz erreicht. "Dadurch ist es gelungen, dass bei uns die Sterberate von Patienten auf der Warteliste für eine Lungentransplantation bei nur 1,3 Prozent liegt. Das einer der niedrigsten Werte weltweit." Am Wiener AKH werden pro Jahr rund hundert Lungentransplantationen vorgenommen. "Wir werden bald bei 2.000 derartigen Eingriffen angelangt sein", betonte der Chirurg.