Die Umweltbewegung "Extinction Rebellion" (XR, "Aufstand gegen das Aussterben") hat ein Hauptziel: "das Überleben der Menschheit im nächsten Jahrhundert". Mit den Mitteln eines gewaltfreien zivilen Ungehorsams der Massen will man es erreichen, erklärte Paul Sajovitz vom Österreich-Ableger der in Großbritannien entstandenen XR. Für ihn ist die ökologische Krise nicht zuletzt auch eine Systemkrise.
Drei Forderungen
"Wir fordern daher auch keine Einzelmaßnahmen, sondern einen fundamentalen Systemwandel", so Sajovic. Der Aufstand folgt einem einfachen Konzept, das auf drei Forderungen basiert: "Die Wahrheit sagen", was die ökologische Krise betrifft - "Jetzt handeln" und zwar mit dem Ziel, Netto-Null-Emissionen bis 2025 zu erreichen. Und "Politik neu leben", indem die Regierenden Bürgerinnenversammlungen einberufen, die dann rechtlich bindende Gesetzesvorschläge ausarbeiten sollen, erläuterte der Ökologiestudent den wohl radikalsten Inhalt.
"Aufstand gegen das Aussterben"
Ab dem 7. Oktober plant die Umweltbewegung "Extinction Rebellion" (XR) in den Hauptstädten von rund 60 Ländern den einwöchigen "Aufstand gegen das Aussterben". Auch in Wien sind diese gewaltfreien Störaktionen zu erwarten, um "Klimakatastrophe und ökologischen Kollaps" aufzuhalten. "Wir wollen zeigen, dass ziviler Ungehorsam funktioniert", sagte Aktivistin Julia Weiß im Vorfeld im APA-Gespräch.
Man hoffe auf tausende Teilnehmer bei dieser "friedlichen, gewaltfreien Disruption" des öffentlichen Lebens. Das heißt, dass das System in irgendeiner Form blockiert werden wird. Das solle solange geschehen, bis die Forderungen erfüllt werden. Bereits im April gab es zweimal einen Vorgeschmack, was das bedeuten kann, als XR-Aktivisten sich auf die Ringstraße beim Burgtheater postierten und Tage später das Lokal einer Fast-Food-Kette auf der Wiener Mariahilfer Straße lahmgelegten.
Ernst der Lage
Der Grund für all dies Tun: Die Politik erkenne den Ernst der Lage nicht an und ignoriere die Tatsachen. "Deswegen sehen wir uns verpflichtet, mit gewaltfreien Aktionen Druck auf die nächste Regierung auszuüben, egal welche Parteien darin vertreten sein werden", erläuterte Paul Sajovitz vom Österreich-Ableger der in Großbritannien entstandenen Bewegung die speziellen Beweggründe, auch hierzulande erneut tätig zu werden. Im Oktober ist daher in Wien mit einigen neuen Aktionen der Rebellen zu rechnen.
Wie man sich bei den Aktionen verhalten soll, wird auch bei speziellen Trainings unterrichtet, dabei werden Aktivisten auch über rechtliche Belange aufgeklärt. Schließlich könnte es auch zu Festnahmen infolge des zivilen Ungehorsams kommen. Die Polizei werde jedenfalls von Anfang an über die Vorhaben der XR-Aktivisten informiert, sagte Sajovitz, etwa um Flucht- oder Rettungspläne nicht zu gefährden.
Zehn Prinzipien
Die "Extinction Rebellion" wendet sich dabei auf Menschen aus allen Schichten und allen politischen Couleurs, solange die zehn Prinzipien akzeptiert werden, denn "Alle sind willkommen - So wie sie sind" heißt eines davon. "Gewaltfreiheit ist dabei die Basis alles Tuns", hob Sajovitz ein weiteres hervor. Ebenso gilt es nicht, einen Feind auszumachen, der bekämpft werden soll, denn "No blaming, no shaming" bedeutet Vermeiden von Beleidigungen und Schuldzuweisungen. Das Erreichen des Notwendigen wird letztendlich anvisiert, "nämlich die 3,5 Prozent der Bevölkerung zu mobilisieren, die nötig sind, um Systemveränderungen durchzusetzen".
Die bisher größte Aktion führten britische Aktivisten im April in London mit Hilfe von Straßen- und Brückenblockaden durch, rund ein halbes Jahr nach der Gründung der Bewegung. Über 1.000 Festnahmen gab es damals, einige Teilnehmer klebten sich da gar an den Eingang zur Londoner Börse. Im April wurden auch die Aktivisten in Österreich tätig, seit Dezember besteht hierzulande. 50 bis 60 Menschen zähle man zum "harten Kern", rund zehnmal so viele sind bisher insgesamt bei XR-Austria tätig. Und der Zulauf halte weiterhin an, sagte Aktivistin Julia Weiß. Es ginge dabei auch darum, der Bevölkerung ein "Gefühl der Selbstermächtigung" zu vermitteln.
Die Vertreter der "Extinction Rebellion" betrachten sich dabei keineswegs als Konkurrenz zu althergebrachten Umwelt-NGOs, organisiert ist man in Arbeitskreisen und man agiere dezentral und unentgeltlich. Stattdessen könnte man sich vorstellen, eine Art Vorreiter zu werden, ein "Movement of the Movements", wie es Weiß ausdrückt, die erst seit ein paar Wochen bei XR dabei ist. Daher arbeite man auch abseits des parteipolitischen Systems, um die "Leute wachzurütteln". "Wenn wir wollen, können wir den Diskurs verändern", ist sie sich sicher. Das sei notwendig, denn "wir steuern beinahe ungebremst auf den Kollaps der menschlichen Zivilisation zu", ist sich Sajovitz sicher.