Eine wildfremde Frau hat am 1. September 2018 im Technischen Museum in Wien ein fünfjähriges Mädchen an sich gerissen und wollte mit der Kleinen das Gebäude verlassen. Wäre die Frau gesund, hätte sie sich am Mittwoch wegen versuchter Kindesentziehung und schwerer Nötigung am Landesgericht verantworten müssen.

Die 40-Jährige leidet aber seit ihrem 18. Lebensjahr an einer bipolaren affektiven Störung. Im Spätsommer des Vorjahrs setzte sie die Medikamente ab. "Ich bin nicht mehr zur Psychiaterin gegangen. Mir war zu heiß", erklärte sie nun einem Schöffensenat (Vorsitz: Christoph Bauer). Infolgedessen kam ihre Erkrankung wieder zum Durchbruch. "Ich hatte eine manische Episode", erklärte die 40-Jährige das Geschehen im Museum. Und weiter: "Ich kann mich an den Tag überhaupt nicht erinnern. So ist der Mensch."

Mutter Stoß versetzt

Die Fünfjährige hatte in Begleitung der Mutter und ihres Onkels das Museum besucht. Plötzlich ging eine unbekannte Frau auf die Gruppe zu und erklärte, sie sei die Mutter des Mädchens. Die Familie versuchte der eigenartig wirkenden Fremden zu entkommen, die jedoch die Gruppe verfolgte. Plötzlich versetzte sie der Mutter einen Stoß gegen die Schulter, bückte sich zu ihrer Tochter, hob die Kleine auf, drückte diese an sich und versuchte davonzulaufen. Die Fünfjährige wollte sich aus den Armen der Unbekannten winden, was ihr nicht gelang. Schließlich kamen mehrere Männer der geschockten Mutter zu Hilfe, die um ihre Tochter kämpfte. Am Ende bedurfte es vier kräftiger Männer, um der psychisch kranken Frau nach mehreren Minuten das zu diesem Zeitpunkt völlig verängstigte Mädchen abzunehmen.

"Ich bin ein temperamentvoller Mensch", stellte sich die 40-Jährige zu Beginn der Verhandlung dem Gericht vor. Einem psychiatrischen Gutachten zufolge war sie im Tatzeitpunkt aufgrund ihrer Krankheit zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig. Sie kann daher nicht bestraft werden. Die Staatsanwaltschaft hatte aber die Einweisung der Frau in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt, da laut Gutachten befürchtet werden muss, dass sie ohne eine im Maßnahmenvollzug gewährleistete therapeutische Behandlung wieder Straftaten mit schweren Folgen begehen wird.

In Behandlung

Seit dem Vorfall im Museum begibt sich die 40-Jährige alle zwei Wochen in ein Spital und lässt sich dort mit einer sogenannten Depotspritze versorgen. Das hat ihren Zustand nachhaltig verbessert. Auf die Frage des Richters, wie lange sie diese Praxis beizubehalten gedenke, erwiderte die 40-Jährige: "Ewig. Bis ich stirb'." Auf die weitere Frage, wer das garantieren könne, verwies die Frau - sie ist selbst Mutter einer zwölf Jahre alten Tochter, die beim Vater aufwächst, welcher sich vor etlichen Jahren von der Frau getrennt hat - auf "den lieben Gott". "Da können wir uns nicht drauf verlassen. Manche glauben gar nicht, dass es ihn gibt", beschied ihr der Richter. Daraufhin versprach die 40-Jährige: "Ich werde das nehmen. Das kann ich Ihnen versichern."

Für die Fünfjährige hatte der Zwischenfall gravierende psychische Folgen. Das Mädchen ist traumatisiert und wird von einer Opferschutzeinrichtung betreut bzw. behandelt.

Auf Oktober vertagt

Der Prozess gegen die 40-Jährige ist auf Oktober vertagt worden. Zwei Zeugen hatten sich urlaubsbedingt entschuldigt, diese sollen noch angehört werden.