Ein 43-jähriger Rumäne, der im Oktober 2017 einer mittlerweile 79 Jahre alten Wienerin 20 Kilogramm Gold aus ihrer Wohnung gestohlen hatte, ist am Donnerstag am Wiener Landesgericht zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Der Mann hatte auf Anweisungen eines früheren Wiener Anwalts gehandelt, der das Versteck ausgekundschaftet hatte.
Der Anwalt und die 79-Jährige waren einander freundschaftlich verbunden - die gemeinsame Leidenschaft für die Oper hatte sie zueinander geführt. Kennengelernt hatten sie einander während einer Busfahrt nach einer Aufführung an der Dresdner Semperoper. Die ältere Dame vertraute dem Anwalt und offenbarte ihm eines Tages, dass sie zu Hause 20 Goldbarren zur Sicherung ihres Lebensabends aufbewahrt habe.
Schatz im Wert von 700.000 Euro
Gemeinsam mit dem Rumänen, den er in einer Pizzeria kennengelernt hatte, beschloss der Anwalt, die Frau um ihr Vermögen zu erleichtern. Indem er sie zum Abendessen einlud, ermöglichte er dem Rumänen, gemeinsam mit einem Landsmann in ihre in der Leopoldstadt gelegene Wohnung einzudringen und den Schatz im Wert von 700.000 Euro an sich zu bringen.
Während der Anwalt bald nach dem Coup geschnappt wurde, setzte sich der 43-Jährige mit dem Gold ins Ausland ab. Der Anwalt wurde im Oktober 2018 rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt - im Gefängnis befindet sich der Mann aber schon lange nicht mehr, wie sein Rechtsvertreter Werner Tomanek am Donnerstag der APA bestätigte. Der Jurist, der im Zuge des gegen ihn geführten Strafverfahrens aus der Anwaltsliste gestrichen wurde, habe vor einiger Zeit den elektronisch überwachten Hausarrest genehmigt bekommen. "Er lebt mit der Fußfessel bei seiner Mutter in der Steiermark und geht dort einem Beruf nach", sagte Tomanek.
Im Verfahren gegen den Rumänen hätte er als Zeuge aussagen sollen. Er kam seiner Ladung, die an die zuständige Justizanstalt zugestellt wurde, aber nicht nach. Da der Rumäne umfassend geständig war, wurde die bisherigen Aussagen des Juristen verlesen.
"Es tut mir sehr, sehr leid", gab der angeklagte Rumäne vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Olivia-Nina Frigo) zu Protokoll. Er war im Dezember 2018 in Serbien festgenommen worden und wurde im Mai von den serbischen Behörden ausgeliefert. Aus Furcht vor seinem rumänischen Mittäter, der nach wie vor flüchtig ist, wollte der 43-Jährige abgesehen von seinem Geständnis keine weiteren Angaben machen. "Er hat Angst um sein Leben", erklärte sein Verteidiger Philipp Wolm. Sein Mandant sei "nur das ausführende Werkzeug" gewesen, die eigentliche kriminelle Energie sei vom ehemaligen Anwalt ausgegangen.
Weder das Gericht noch der Anklagevertreter erkundigten sich bei dem Angeklagten nach dem Verbleib der Goldbarren. Es blieb daher der 79-Jährigen überlassen, die entscheidende Frage zu stellen. "Und wo ist das Gold? Wer hat das Gold?", rief sie am Ende des Verfahrens dem 43-Jährigen zu. Die Frau hatte sich nach ihrer zeugenschaftlichen Befragung zu Journalisten in die erste Zuhörerreihe gesetzt. Antwort bekam sie auf ihren Zuruf keine.
Die 79-Jährige hatte ihren Zeugenauftritt genutzt, um ein letztes Mal mit dem früheren Anwalt abzurechnen. "Ich habe nicht mit so einer Hinterhältigkeit gerechnet. Er hat sich mir als guter Freund dargestellt", berichtete die Pensionistin. Er habe ihr "als guter Freund herausgelockt, wo ich das Gold versteckt habe". Sie habe "mein Leben lang gespart" und sich die Goldbarren angeschafft, "weil ich nicht in einem Heim landen möchte". Mithilfe des Goldes habe sie sich im Bedarfsfall eine Heimpflege finanzieren wollen.
Die vierjährige Freiheitsstrafe für den 43-Jährigen ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Wolm nahm die Strafe an, der Anklagevertreter gab aber vorerst keine Erklärung ab.