Wien geht in Fragen der E-Autos seit jeher eigene Wege. So stellt sich die Stadt gegen die von der letzten Regierung geplanten Anreize wie Fahren auf der Busspur und 130 km/h im „Lufthunderter“. Auch Gratisparkplätze und kostenfreies Aufladen findet man seit Oktober 2018 nicht mehr im Angebot Wiens. Neben der Umstiegsförderung des Bundes auf E-Autos will die Stadt zudem keine weiteren Anreize schaffen: „Langfristig soll der motorisierte Individualverkehr gesenkt werden“, heißt es hierzu aus dem Büro von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein. Auch E-Autos bräuchten Platz, deshalb wolle man attraktive Alternativen schaffen.
1000 Ladestellen derzeit
So weit, so logisch. Doch zugleich baut die Stadt ihr E-Ladenetzwerk massiv aus. Derzeit sind bereits über 1000 Ladestellen in Betrieb, so die Wien-Energie auf Anfrage. 350 davon entfallen auf öffentliche Plätze im Stadtgebiet, auf halböffentliche Orte wie Garagen, Supermärkte oder Unternehmen entfallen noch einmal 750. Bis Ende 2020 soll die Zahl auf mehr als 1000 öffentliche Plätze anwachsen - bis „kein Punkt in Wien weiter als 400 Meter von einer Station entfernt ist“, erklärt Lisa Grohs von Wien Energie.
Achtung Kostenfalle!
Was für E-Auto-Fahrer paradiesisch klingt, ist es aber nicht: Denn wer sein E-Auto in Wien aufladen möchte, der tappt leicht in die Kostenfalle. Zwar kosten einer heute veröffentlichten Studie der Arbeiterkammer zufolge 100 Kilometer im Schnitt nur 4,995 Euro, doch gewaltige Ausreißer nach oben sind die Regel: „Viele Ladestationen“, erklärt AK-Energieexperte Michael Soder, „rechnen nicht nach Energie ab, sondern nach Zeit.“ Das bedeutet: So lange geladen wird, so lange rennt die Uhr - doch genau hier liegt der Trick der Anbieter: Viele Ladestationen bieten nur wenig Leistung, das Auto muss also stundenlang geladen werden. Manche Anbieter verrechnen so für umgerechnet 100 Kilometer je nach Tarif bis zu 8,50 Euro, ohne Vertragsbindung sogar über 10 Euro - da schmelzen die Kostenvorteile der E-Autos dahin. Die AK fordert deshalb, dass Ladestationen immer nur die Leistung, nicht die Zeit verrechnen dürfen und dass Kunden per Preismonitoring einen Überblick über die Anbieter bekommen sollen.
Preisunterschiede
Noch gewaltiger werden die Preisunterschiede durch eine Praxis, die unangenehme Erinnerungen an die Frühphase der Mobiltelefone weckt: Roaming. In Wien und Restösterreich gibt es grundsätzlich zwei Ladenetze für E-Autos: Im BEÖ-Netz finden sich Wien-Energie, aber etwa auch Energie Steiermark oder Kelag - hinter dem Netz von „Smartrics“ hingegen verstecken sich OMV, Siemens und Verbund. Zwar ist es seit Kurzem gesetzlich vorgeschrieben, dass man mit einer Ladekarte in allen Netzen laden darf, doch landet man an einer Ladestation des jeweilig anderen Netzes, fallen Roaminggebühren an - und die haben es in sich.
Für Markus Gansterer vom Verkehrsclub Österreich ist das E-Auto in einer Stadt wie Wien deshalb nur dann sinnvoll, wenn man es daheim oder am Arbeitsplatz aufladen kann - doch genau das können in der Großstadt die wenigsten. Die Stadt Wien sieht angesichts des Preischaos jedoch keinen Handlungsbedarf: „Die Preisgestaltung obliegt den einzelnen Betreibern.“ Der Weg in eine elektrische Zukunft könnte so ein teurer werden.
Sebastian Krause