Wer im Sommer durch die Wiener Innenstadt spaziert, kommt nicht nur sprichwörtlich kaum an ihnen vorbei: den Touristengruppen. Mit Kopfhörern in den Ohren schieben sie sich langsam durch die Straßen. Ganz vorne hält jemand ein Schild mit dem Namen des Tourveranstalters in die Luft. Für Markus Figl, Großneffe des Nachkriegsbundeskanzlers Leopold Figl und ÖVP-Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, sind die Touristenmassen ein Ärgernis. „Sie gehen ein Mal durch die Stadt, verstopfen die Straßen, haben kein Interesse und keine Zeit, etwas einzukaufen.“

Der Eindruck vieler Anrainer, dass es immer mehr werden, ist kein subjektiver: Jahr für Jahr feiert Wien neue Touristenrekorde. Vergangenes Jahr kamen mehr als 7,5 Millionen Besucher. Weil die Stadt ein kompaktes historisches, kulturelles, wirtschaftliches und politisches Zentrum innerhalb der früheren Stadtmauern hat, staut es sich genau dort. „Wir sind gerne Gastgeber. Die Frage ist nur, wann die Kapazitäten erreicht sind“, sagt Markus Figl.

Alle zwei Jahre zählt die Wirtschaftskammer, wie viele Passanten über große Einkaufsstraßen spazieren. Am Graben, der direkt vom Stephansplatz wegführt, waren das vergangenen Herbst 77.500 Menschen an einem einzigen Tag. Gezählt wird traditionell an einem Samstag im Oktober, also nicht in der touristischen Hauptsaison. Da dürften es noch mehr sein.

Innenstadt "in Gefahr"

Obwohl erst kürzlich eine Studie Wien von der Gefahr des „Overtourism“ freigesprochen hat, dürfte das für die Innenstadt nicht ganz zutreffen. „Die Innenstadt hat nicht einmal 17.000 Bewohner. Aber jeden Tag kommen 250.000 Menschen her.“ Unternehmer, Arbeitnehmer und – besonders in den Sommermonaten und der Adventzeit – Zehntausende Touristen. Wien wächst, die Besucheranzahl wächst, und damit auch der Druck auf das Zentrum.

Die Kosten dafür muss der Bezirk zahlen: Mülleimer etwa, die vermehrt aufgestellt werden. Oder Adaptionen im Straßenbild. Als vor zwei Jahren die Bodenplatten am Stephansplatz ausgetauscht wurden, nutzte man die Gelegenheit, um mehr Platz zu schaffen. Gehsteige wurden verbreitert, Bänke und eine Litfaßsäule entfernt. Aktuell arbeitet die Stadt mit dem Bezirk an einem Zonierungsplan, der individuelle Bescheide etwa für Schanigärten ersetzen soll. Auch die als Mozart verkleideten Menschen, die Konzerttickets verkaufen, sollen nur mehr in bestimmten Zonen (und nicht mehr vor dem Stephansdom) stehen dürfen. „Sie blockieren die Menschen, die in den Dom wollen. Und bremsen die aus, die vorbeigehen wollen“, so Figl. Künftig sollen die Verkäufer registriert werden und Gebühren zahlen.

Andere Städte helfen sich mit Eintrittskarten ins Zentrum oder Bettenkontingenten in bestimmten Zonen. Davon hält Figl nichts. Allerdings warnt er vor dem Trend, dass bei jedem frei werdenden Wohngebäude als Erstes geprüft wird, ob es sich als Hotel eignet: „Bei all dem Nutzungsdruck und den vielen Menschen, die sich hier aufhalten, muss es in der Innenstadt auch in Zukunft Menschen geben, die hier tatsächlich wohnen. Weil die ganz anders auf die Stadt achten.“

Neue Tourismusstrategie

Das Wiener Fremdenverkehrsmarketing arbeitet derzeit mit den Bezirken an einer neuen Tourismusstrategie, in die die Bedürfnisse der Anrainer stärker eingebunden werden. Ein Ziel wird sein, verstärkt auf hochpreisigen Premiumtourismus zu setzen. Ein anderes, die Besucher vermehrt für Attraktionen außerhalb der Innenstadt zu begeistern. Ob sich viele Touristen finden lassen, die wirklich auf den Stephansdom und die Wiener Innenstadt verzichten möchten, wird sich jedoch erst zeigen.