Aggressionen in den heimischen Spitälern nehmen zu. Das hat nicht nur der Fall vom Mittwoch gezeigt, bei dem ein Arzt von einem Patienten im Wiener SMZ Süd niedergestochen wurde. Das nehmen auch die Mitarbeiter der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) wahr, die in den beiden Wiener Traumazentren seit 1,5 Jahren Übergriffe mittels Fragebögen dokumentieren.
"Die Hemmschwelle sinkt"
"Es wird tendenziell mehr", konstatierte Angelika Stadler-Wallig, Leiterin der AUVA-Stabsstelle für Organisation von Großunfällen und Katastrophen der AUVA Wien, im Gespräch mit der APA. Konflikte entzünden sich demnach oft an den Wartezeiten. "Die Bereitschaft zu warten ist viel weniger gegeben. Die Patientenzahlen steigen, die Hemmschwelle sich zu beschweren und aufzuregen sinkt. Der Patient ist selbst im Stress und schaukelt sich selbst hoch. Sie werden auch schneller körperlich aggressiv", schilderte Stadler-Wallig.
Die AUVA-Expertin wollte keine absoluten Zahlen nennen. Es handelte sich in lediglich einem der beiden Traumazentren (Meidling und Lorenz-Böhler-Brigittenau) aber um -zig gemeldete Fälle im Vorjahr. Heuer bewegen sich die Zahlen in den ersten etwas mehr als sechs Monaten bereits auf dem Niveau des gesamten Jahres 2018. "Der Respekt vor dem Krankenhauspersonal geht zurück. Dabei ist das Pflegepersonal auf den Stationen ohnehin sehr duldsam", sagte Stadler-Wallig.
Die Auswertung hat auch ergeben, dass nicht nur die Quantität der gemeldeten Vorfälle, sondern auch deren "Qualität". So war einer der Schlüsse aus dieser Dokumentation, dass an beiden Wiener Standorten ein privates Security-Unternehmen Dienst versieht. "Der Security-Mitarbeiter wirkt manchmal schon deeskalierend", schilderte Stadler-Wallig. Allerdings steigt auch die Zahl der gemeldeten Vorfälle, bei denen der Sicherheitsmitarbeiter beigezogen wird. 2018 war dies in rund 25 Prozent der bekannt gewordenen Übergriffe so. "Seither ist es mehr geworden. Heute sind wir sicher schon bei einem Drittel der gemeldeten Vorfälle, bei denen der Security dazugeholt wird."
Die verbale Aggression sei sehr hoch, stellte Stadler-Wallig fest. In 78 Prozent der Fälle wird das Personal beschimpft. Bei jedem dritten Angriff blieb es nicht bei verbalen Beleidigungen. In 30 Prozent der gemeldeten Übergriffe schlugen oder traten die Aggressoren das Personal, in 15 Prozent der Fälle warfen sie auch mit Gegenständen um sich oder begossen Personal mit Flüssigkeiten. "Auch die Polizei ist mittlerweile in sehr viele Vorfälle involviert. Sie kommt mindestens wöchentlich, am Wochenende zwei- bis dreimal. Auch am Abend wird es mehr", sagte die AUVA-Expertin.
Basierend auf dieser Auswertung hat die AUVA in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Verfassungsschutz ein Sicherheitskonzept entwickelt. Die Traumazentren zählen ja zur kritischen Infrastruktur. "Die Eckpunkte liegen sowohl in den betrieblichen Prozessen in den Krankenhäusern, aber auch in baulichen Maßnahmen", erläuterte Stadler-Wallig. So werden die Haupteingänge gesperrt, betriebsfremde Personen kommen damit in der Nacht nicht mehr so ohne weiteres ins Spital. Dazu kam das Engagement der Securityfirma.
Vielfältige Maßnahmen
Ein wichtiger Punkt sind bessere Informationen über Wartezeiten. Mittels Laufschrift werden die Patienten darüber in Kenntnis gesetzt, wenn es länger dauert, zum Beispiel, wenn ein akuter Notfall hereinkommt. Dazu kommen Aushänge der Hausordnung in Piktogrammen, in verständlichen Worten. Zur Sicherheit der Krankenhausmitarbeiter wurde ein Panikalarm eingerichtet. Mit einer einfachen Tastenkombination am PC können diese den Alarm auslösen, der auf den umliegenden Monitoren groß aufleuchtet. Kollegen können dann zu Hilfe kommen, zusätzlich werden der Securitydienst und der Portier informiert.
Im Bereich der Erstaufnahme wurden auch Notruftaster installiert. Werden diese vier Sekunden lang gedrückt, geht automatisch ein Alarm an die Polizei. Zusätzlich sind die Taster an die Panikalarme gekoppelt, damit einstweilen die Kollegen den attackierten Krankenhausmitarbeiter unterstützen können.
Nicht zuletzt werden dem Personal Sicherheitsworkshops mit der Polizei angeboten. Dabei stehen Deeskalationsstrategien im Vordergrund. In weiterer Folge soll es auch Fortbildungen zum Thema "Kommunikation mit aggressiven Patienten" geben. Ebenso sind Selbstverteidigungskurse ab Herbst geplant. Diese Schulungsprogramme sind Stadler-Wallig zufolge sehr gefragt: "Wir haben so viele Anmeldungen für den Herbst, es gibt kaum noch Plätze. Die Mitarbeiter fühlen sich sicherer."