Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und seine Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) haben das Expertentreffen am Montag in Brüssel als "konstruktiv, aber auch kontroversiell" bezeichnet. "Ein erster Schritt ist die Installierung einer grenzüberschreitenden Arbeitsgruppe zur Korridormaut. Darauf werden auch die anderen Treffen aufbauen", so die beiden unisono in einer Aussendung.

Das Land Tirol werde nach dem Treffen weiter an den "Notmaßnahmen" festhalten, solange sich die Situation für die Bevölkerung nicht verbessert habe, stellte Platter klar und sprach damit unter anderem die Lkw-Blockabfertigung und die jüngst verordneten Fahrverbote auf dem niederrangigen Straßennetz an. "Lange Zeit war es mit Deutschland und Italien nicht einmal möglich, Gespräche zu langfristigen Entlastungsmaßnahmen zu führen", kritisierte der Landeshauptmann. An den letzten beiden angesetzten Terminen hätten keine Vertreter von Deutschland und Italien teilgenommen.

"Die von Tirol verhängten Fahrverbote haben die jahrelange Verkehrsproblematik im Alpenraum nun dorthin gehoben, wo sie auch hingehört: auf multilaterale und europäische Ebene", erklärte Felipe, die die Einrichtung einer Korridormaut-Arbeitsgruppe als erfreulich bezeichnete. "Dazu können wir auf jahrelange Vorarbeit zurückgreifen, die wir dort konstruktiv einbringen können", fügte sie hinzu und verwies darauf, dass die nächsten politischen Gespräche bereits vereinbart seien.

Südtirols Landeshauptmannstellvertreter und Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider (SVP), der an dem Treffen in Brüssel teilgenommen hatte, forderte, dass es für die Zukunft eine gemeinsame, auf europäischer Ebene koordinierte Verkehrsdosierung mindestens zwischen München und Verona brauche, um die Situation zu entschärfen. "Unsere Forderung ist, dass wir als betroffene Länder gemeinsam mit der EU und den Nationalstaaten endlich konkrete Maßnahmen für eine umweltfreundliche Mobilität umsetzen, die den Güterverkehr langfristig emissionsarmer macht und auf die Schiene verlagert", so Alfreider in einer Aussendung.

Sektorales Fahrverbot verschärft

Das Land Tirol hat am Montag, wie bereits angekündigt, eine Verschärfung des Sektoralen Lkw-Fahrverbots verordnet. Ab 1. Jänner 2020 werden weitere fünf Gütergruppen von dem Fahrverbot betroffen sein. Außerdem wird die bisher geltende generelle Ausnahme für Lkw der Euroklasse 6 auf Fahrzeuge der Euroklasse 6D eingeschränkt, teilte das Land in einer Aussendung mit.

Damit dürfen neben den bereits bisher schon verbotenen acht Gütergruppen wie beispielsweise Abfälle, Steine und Aushub, Stahl oder Marmor und Fliesen ab 1. Jänner 2020 weitere Güter wie Papier und Pappe, flüssige Mineralölerzeugnisse, Zement, Kalk und gebrannter Gips, Rohre und Hohlprofile sowie Getreide nicht mehr transportiert werden. Das Verbot gilt für die Inntalautobahn (A12) zwischen Kufstein und Ampass. Lkw der Euroklasse 6D, der neuesten Technologie, Fahrzeuge mit Elektroantrieb und Lkw, die ab dem 1. September 2018 erstmalig zugelassen wurden, bleiben ausgenommen.

Ausnahmen gibt es auch, ähnlich wie bei den Euroklasse-Fahrverboten, für den Ziel- und Quellverkehr. So sind Lkw der Euroklasse 4 erst ab 1. Jänner 2020 und Lkw der Euroklasse 5 ab 1. Jänner 2023 vom Fahrverbot auch im Ziel- und Quellverkehr betroffen.

Das Lkw-Euroklassenfahrverbot und das Sektorale Fahrverbot können laut Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) aber nur erste Schritte hin zu einer "echten Entlastung der verkehrs- und lärmgeplagten Bevölkerung sein". "Wir werden selbstverständlich auch die Lkw-Blockabfertigung weiter fortsetzen, ob es unseren nördlichen und südlichen Nachbarn nun passt oder nicht", meinte Platter.

Expertentreffen der EU

Im Streit um die Lkw-Blockabfertigung in Tirol hat die EU-Kommission erneut Österreich, Deutschland und Italien zu einer gemeinsamen Lösung aufgerufen. Vor einem Expertentreffen mit Vertretern dieser drei Länder in Brüssel betonte eine EU-Kommissionssprecherin am Montag in Brüssel: "Der Straßenverkehr entlang des Brenner-Korridors ist eine regionale Herausforderung."

Die Lage müsse gemeinsam von den Mitgliedstaaten in der Region bewältigt werden, sagte die Sprecherin weiter. Dies erfordere einen direkten Kontakt zwischen Italien, Deutschland und Österreich "im Geiste gut nachbarschaftlicher Beziehungen". Diskussionen mit allen beteiligten Seiten würden andauern, um geeignete Lösungen zu finden.

Auf Herbst vertagt

Österreich, Deutschland und Italien haben weitere Gespräche über die Lkw-Blockabfertigung und Fahrverbote in Tirol für Herbst vereinbart. Die Sprecherin des Verkehrsministeriums, Elisabeth Hechenleitner, sagte der APA am Montag, es hätten "gute Gespräche" in Brüssel stattgefunden.

Verkehrsminister Andreas Reichhardt wolle in den kommenden Wochen konkrete Maßnahmen mit ÖBB und Asfinag zur Verlagerung des Lkw-Verkehrs weg von der Landstraße erarbeiten, fügte die Sprecherin hinzu. Es seien am Montag von Seite der Experten über alle Themen geredet worden. Die EU-Kommission erwäge, eine eigene Arbeitsgruppe einzuberufen. Die EU-Kommission wolle konstruktive Vorschläge der Beteiligten sehen.

An der Expertenrunde hatten auch Vertreter von Tirol, Bayern, Südtirol und des Trentino teilgenommen. Dem Vernehmen haben sich Deutschland und Italien weiterhin sehr besorgt über die Tiroler Maßnahmen geäußert. Auch die von Tirol geforderte Korridormaut oder Maßnahmen zur Attraktivierung der Bahn seien angesprochen worden. Angeblich will die EU-Kommission bereits im September ein weiteres Treffen organisieren.