Kardinal Christoph Schönborn hat erstmals nach seiner Krebs-Operation wieder einen Gottesdienst im Wiener Stephansdom geleitet. Der Wiener Erzbischof feierte am Sonntag mit mehreren Tausend Gläubigen die Messe zum Pfingstsonntag. Gleich zu Beginn dankte der 74-jährige Kardinal "für die vielen Gebete, die mich in den vergangenen Wochen begleitet haben", wie Kathpress berichtete.
Der Pfingstgottesdienst war Schönborns erster großer öffentlicher Auftritt nach einer mehrwöchigen Erholungsphase. Wegen einer Prostatakrebs-Diagnose hatte sich Schönborn Anfang Mai im Wiener Spital der Barmherzigen Brüder einem operativen Eingriff unterzogen. Der Tumor war im Rahmen einer Gesundenuntersuchung frühzeitig entdeckt worden.
Jüdische Wurzeln des Christentums
In seiner Predigt betonte der Kardinal die jüdischen Wurzelndes Christentums und auch des Pfingstfests, dass die Christen heuer gemeinsam mit ihren jüdischen Geschwistern feiern. Wie Christen 50 Tage nach Ostern, feiern die Juden 50 Tage nach Pessach das "Wochenfest" (Schavuot). "Weil Pessach und Ostern heuer einen gemeinsamen Termin hatten, sind auch 50 Tage später das jüdische und das christliche Pfingstfest am selben Datum", erinnerte Kardinal Schönborn. "So gedenken wir heute ganz besonders unserer Wurzeln, dem jüdischen Mutterboden unseres christlichen Glaubens, Feierns und Lebens."
An Schavuot gedenken die Juden auch der Übergabe der Zehn Gebote an Mose auf dem Berg Sinai als Ausdruck der Verbundenheit Gottes mit seinem Volk. Diese Grundregeln des menschlichen Lebens seien bis heute gültig, sagte der Wiener Erzbischof. "Was wäre eine Welt ohne Menschen, die sich an die Zehn Gebote halten? Eine Welt, in der Lügen, Stehlen, Morden selbstverständlich wäre - ein Hölle." Die Zehn Gebote seien "Grundregeln eines guten und geglückten Lebens für alle Menschen", so Schönborn, "damit wir als Brüder und Schwestern miteinander leben können".
Freilich genüge der Buchstabe der Gebote allein nicht, fügte der Kardinal hinzu. "Deshalb brauchen wir den Geist Gottes, der in den Herzen, im Gewissen der Menschen den richtigen Weg zeigt", führte er zur christlichen Botschaft des Pfingstfest zurück. Der Heilige Geist "hört nicht auf, Kirche und Welt zu erneuern".
"Erfüllung einer tiefen Sehnsucht"
In diesem Sinn sei das Pfingstfest die "Erfüllung einer tiefen Sehnsucht", so der Wiener Erzbischof: Möge der Geist Gottes über uns alle kommen. Er ist nicht reserviert für einige wenige Propheten, sondern für uns alle. Der Geist des Herrn erneut die Welt, die Schöpfung, die Herzen." Die Sehnsucht nach diesem Geist, der Kraft gibt, verbinde die Christen mit den Juden, ihren Vorgängern im Glauben. Am Pfingstgottesdienst im Stephansdom nahmen auch zahlreiche Gläubige aus anderen Ländern teil, unter ihnen viele Touristen, die sich am Pfingstwochenende in Wien aufhalten.
Das Pfingstfest ist eines der ältesten und wichtigsten Feste des Christentums. Im Mittelpunkt steht der "Heilige Geist" und der Auftrag, die an Christus Glaubenden zu sammeln. Laut der biblischen Apostelgeschichte ist der Pfingstsonntag der Tag, an dem der Heilige Geist den Jüngern Jesu geschenkt wurde. Die Folge: Plötzlich konnten sie in mehreren Sprachen reden und Jesu beauftragte sie, das Evangelium zu verbreiten.
Durch dieses "Pfingstwunder" entwickelte sich eine Einheit der Gläubigen, und es begründete somit die Kirche. Das Wort Pfingsten kommt vom griechischen Wort "Pentekoste" und bedeutet so viel wie "fünfzig". Das Pfingstfest bezeichnet den 50. Tag nach Ostern, an dem die Jünger den Heiligen Geist empfingen.