Im "Fall David" haben die Salzburger Landeskliniken (SALK) ein Jahr nach dem Tod eines 17 Monate alten Buben nach einer kleinen Operation zwei Ärzte vom Patientenkontakt abgezogen. Dies erfolgte nach Vorliegen eines Gerichtsgutachtens, wonach ein sofortiger Eingriff nicht nötig gewesen wäre. Der Bub hatte nach der Entfernung eines Muttermals in der Narkose Erbrochenes eingeatmet und war erstickt.

Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft Salzburg hat ihre Ermittlungen wegen grob fahrlässiger Tötung gegen fünf Ärzte und die Landeskliniken nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz noch nicht abgeschlossen. Jene zwei Ärzte, ein Kinderchirurg und ein Anästhesist, die aktuellen Medienberichten zufolge nun bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens keine Patienten mehr versorgen dürfen, werden als Beschuldigte geführt, die anderen als Verdächtige.

Eingriff unter Narkose

Zur Vorgeschichte: Am Abend des 16. April 2018 stolperte der kleine David daheim über ein Sofa, woraufhin das Muttermal an der Wange zu bluten begann. Aus Vorsicht, dass es zu keiner Infektion kommt, brachten die Eltern das Kind damals gleich ins Spital. Obwohl der Bub nicht nüchtern war, er hatte zuvor etwas gegessen, wurde ein sofortiger Eingriff unter Narkose vorgenommen. Kurz nach Beendigung der Operation hat der Bub Erbrochenes eingeatmet. Elf Tage nach den Komplikationen ist er im Krankenhaus gestorben. Ein von den Eltern beauftragter Sachverständiger hat bereits festgestellt, dass die OP "grob sorgfaltswidrig" gewesen sei. Bei einem nicht nüchternen Kind dürfe man nur im äußersten Notfall operieren. An einer kleinen Wunde könne ein gesundes Kind nicht sterben, an einer Narkose bei fehlender Nüchternheit schon, attestierte er.

Kinderchirurgisches Gerichtsgutachten

Nun liegt auch das kinderchirurgische Gerichtsgutachten vor. Darin kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Operation auch später hätte erfolgen können, und zwar dann, wenn David wieder nüchtern gewesen wäre, die Frist beträgt sechs Stunden. Zudem seien zum Zeitpunkt des Eingriffes noch nicht alle Möglichkeiten zur Blutstillung ausgeschöpft worden, so der Primar und Universitätsdozent Günter Fasching vom Klinikum Klagenfurt. Die Operation sei nicht so dringlich indiziert gewesen, um das Aspirationsrisiko bei einem nicht nüchternen Kind in Kauf nehmen zu müssen. Die vorliegende Blutung wäre bei einer Druckbehandlung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Stillstand gekommen.

"Das unabhängige Gerichtsgutachten sieht in Teilbereichen Behandlungsfehler, die SALK ziehen Konsequenzen", hieß es in einer Stellungnahme der Salzburger Landeskliniken am Dienstag auf Anfrage der APA. Die Geschäftsführung habe sofort nach Vorliegen des Gerichtsgutachtens reagiert und zwei behandelnde Ärzte im Fall des vor rund einem Jahr tragisch verstorbenen Kindes vom Dienst an den Patienten abgezogen. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens seien den beiden Ärzten Verwaltungstätigkeiten vorbehalten.

Bestürzt und erschüttert

"Wir sind nach wie vor sehr bestürzt und erschüttert, dass ein derart tragischer Vorfall in unserem Haus passieren konnte und können den Schmerz, die Ohnmacht und die Wut der Eltern nur allzu gut nachvollziehen", sagte der Ärztliche Direktor, Jürgen Koehler. Dennoch sei es notwendig und richtig gewesen, das unabhängige Gerichtsgutachten abzuwarten, bevor weitere Konsequenzen gezogen werden konnten. "Schließlich haben wir als Arbeitgeber die Pflicht, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Krisensituationen fair zu behandeln, und die Ärzte selbst haben das Recht darauf, dass ihre Rolle objektiv und von neutraler Stelle überprüft wird, geht es doch in dieser Frage auch um deren Zukunft. Das ist nun geschehen."

Die Ergebnisse des Gutachtens würden die SALK zum Anlasse nehmen, die Abläufe an den Kliniken "erneut genauestens" zu analysieren und weitere Verbesserungen in die Wege zu leiten. Dabei gehe es insbesondere um die persönliche Betreuung und Kommunikation mit Eltern von Kindern in schwierigen Behandlungssituationen - hier seien entsprechende Schulungen für das ärztliche Personal verpflichtend vorgeschrieben. "Zudem werden noch in diesem Jahr die Möglichkeiten zum Aufenthalt der Eltern vor den Operationssälen baulich verbessert."

Transparenz

Der Ärztliche Direktor betonte, dass seitens der Führung der Landeskliniken immer die Bereitschaft bestanden habe, den Fall gegenüber den Betroffenen "so transparent wie möglich" zu handhaben. "Wir wollen uns nicht hinter rechtlichen Argumenten verstecken - im Gegenteil, wir empfinden den rechtlichen Rahmen, an den wir gebunden sind und die damit verbundenen eingeschränkten Möglichkeiten zu kommunizieren, gerade in Fällen wie diesem, selbst als Belastung", meinte Koehler.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg wartet noch auf ein zweites Gerichtsgutachten. Es kommt aus dem Fachbereich Anästhesiologie. Die Expertise ist noch nicht eingelangt, wie Staatsanwaltschaftssprecher Marcus Neher gegenüber der APA sagte. Das kinderchirurgische Gutachten werde vonseiten der Staatsanwaltschaft derzeit nicht kommentiert, man wolle den Parteien die Gelegenheit geben, das Gutachten zur Kenntnis zu nehmen und allenfalls Stellung dazu abzugeben. Zudem sei auch noch das zweite Gerichtsgutachten ausständig. Die Staatsanwaltschaft beteilige sich nicht vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens an irgendwelchen Schuldzuweisungen, betonte Neher.