Einer der ersten Einträge auf der Webseite „Schulgschichtn“ trägt den Titel: „Ist das wirklich alles, Frau Wiesinger?“ Das Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“ der Lehrerin Susanne Wiesinger hat eine Diskussion über den Islam in der Schule entfacht; drei jungen Mittelschullehrern war das zu wenig: „Wir denken, dass über mehr geredet werden muss, als über Religion und kulturelle Konflikte“, sagt Verena Hohengasser (30), Lehrerin an einer Neuen Mittelschule (NMS) in Wien-Simmering. Gemeinsam mit Simone Peschek (29), die an derselben Schule unterrichtet, und Felix Stadler (23) von der NMS Schwechat gründete die Niederösterreicherin deshalb schulgschichtn.com: „Viele haben ein falsches Bild von der NMS. Wir wollen zeigen, dass es dort auch Erfolgsgeschichten gibt; aber natürlich auch auf Probleme aufmerksam machen.“

Wenn ein zehnjähriger Flüchtlingsbub erst Lesen und Schreiben lernen muss, weil er durch den Krieg in Syrien keine Volksschule besucht hat, warum eine Diskussion manchmal von Goethe zum Thema Abtreibung führt, weshalb das gemeinsame Lernen von Gebärdensprache Schüler einander besser verstehen lässt, aber auch wie ein 13-Jähriger sich anscheinend langsam zu radikalisieren beginnt – auf der Webseite wird von einem Schulalltag erzählt, der sich zwischen Freude und Frustration bewegt.

Artikel werden anonym veröffentlicht

Aufgeschrieben werden die Geschichten zumeist von Lehrern: „Alle Artikel werden anonym veröffentlicht, damit niemand Probleme bekommt“, sagt Hohengasser. Bei den Kollegen der drei jungen Lehrer kommen die Schulgeschichten gut an: „Es gab viele positive Reaktionen. Wir bekommen auch immer mehr Beiträge zugeschickt.“
Viele wollen einerseits die harte Arbeit darstellen, die in den Mittelschulen geleistet wird und andererseits gegen Vorurteile anschreiben: „Es stimmt etwa nicht, dass die Schüler an den Mittelschulen gar nicht lernen wollen. Im Gegenteil: Die meisten sind mit Begeisterung dabei.“

Wahr sei aber, dass die deutsche Sprache für viele Mittelschüler eine große Herausforderung ist: „Egal, was wir unterrichten, es ist immer auch Sprachunterricht.“ Deshalb brauche es an den Schulen mehr Übersetzer; besonders für die Gespräche mit den Eltern. Aber auch Sozialarbeiter und Psychologen werden benötigt, sagt Hohengasser, die ihren Job trotz aller Probleme sehr gerne macht: „An manchen Tagen denkst du dir zwar, dass du heute nichts weitergebracht hast. Umso schöner ist es, wenn den Schülern der Knopf aufgeht und sie sich für ein Thema begeistern. Gerade diese Geschichten wollen wir erzählen.“