Das Wiener Oberlandesgericht hat das Urteil gegen die Ex-Grüne Sigrid Maurer wegen übler Nachrede aufgehoben. Die ehemalige Politikerin hatte im Mai 2018 obszöne Nachrichten an sie auf Facebook und Twitter gestellt und darin den Besitzer eines Biergeschäfts als Verfasser beschuldigt, der sie daraufhin klagte. Das erstinstanzliche Verfahren muss wiederholt werden, gab das OLG am Dienstag bekannt.
Das OLG hatte Bedenken gegen die Beurteilung des Erstgerichts, wonach der Beschuldigten der Wahrheitsbeweis nicht gelungen sei, dass wirklich der Privatankläger die Nachrichten versendet hat. Es wurde nämlich "nicht ausreichend gewürdigt, dass die Nachrichten immerhin vom Computer und vom Facebook-Account des Privatanklägers versendet wurden". Es sei nicht beachtet worden, dass bei der Beurteilung des Wahrheitsbeweises eine gewisse Lebensnähe in Rechnung zu stellen sei. "Die Beweiswürdigung habe kein stimmiges Bild ergeben, denn der Privatankläger habe nicht schlüssig dargestellt, dass konkret eine andere Person die Nachrichten geschrieben und verschickt hat", hieß es in der Begründung des OLG Wien. "Allein die theoretische Möglichkeit reiche nicht aus."
>>>Kommentar: Noch kein Ende, aber ein wichtiger Etappensieg
Das OLG Wien kam zur Ansicht, dass das Erstgericht die Latte für den Wahrheitsbeweis, den Sigrid Maurer antreten musste, "geradezu unerreichbar hoch angesetzt" hat. Die bloße, durch wenige Indizien belegte Behauptung, auch andere Personen hätten Zugang zum Computer gehabt, hätte den Beweis unmöglich gemacht, dass doch der Inhaber des Geräts die Mitteilungen versendet habe, so das OLG. Obwohl der Kreis der möglichen Verfasser sehr klein gewesen sei, habe der Privatankläger keinen anderen Verfasser genannt. Dass jemand anderer die Nachrichten versendet habe, sei im konkreten Fall und wenn man die übrigen Beweisergebnisse berücksichtigt, eigentlich nicht vorstellbar, denn der "unbekannte Verfasser" hätte wenig Zeit gehabt, dies unbemerkt zu tun.
Maurer "extrem glücklich"
Maurer, die gegen das Ersturteil volle Berufung anmeldete, zeigte sich im APA-Gespräch "extrem glücklich". Es sei zwar erst ein "Etappensieg". "Aber ich bin zuversichtlich", dass ein Freispruch in zweiter Runde gelingen wird, so Maurer. "Ich fühle mich in meiner Wahrnehmung bestätigt, dass die Begründung des Erstgerichts lebensfremd und nicht nachvollziehbar war", erklärte die Ex-Grüne. Über Medien hatte Maurer von der Entscheidung des OLG Wien erfahren. Sie hätte ihr Handy kurz ausgeschaltet und sei nun von Nachrichten überschwemmt worden. Ihre Anwältin Maria Windhager möchte nun die Urteilsbegründung des OLG im Detail anschauen. Die Aufhebung sei "sehr erfreulich, weil hier das OLG offenbar unserer Berufung gefolgt ist", sagte Windhager.
Für den Anwalt des Biergeschäft-Betreibers, Adrian Hollaender, seien "neuerliche Rechtsgänge in einem Rechtsstaat stets miteinzukalkulieren." Das OLG habe nun "weder der Angeklagten noch dem Ankläger recht gegeben", meinte der Verteidiger. "Inhaltlich vertraut mein Mandant auf einen Sieg von Rechtsstaat und Gerechtigkeit im neuen Rechtsgang, denn er hat schon einmal die Fakten dem Gericht im ersten Rechtsgang dargelegt und das Gericht hat daraufhin seiner Privatanklage stattgegeben. Er wird das Gleiche auch im zweiten Rechtsgang tun und ist daher zuversichtlich, dass das Gericht bei gleicher Faktenlage zum gleichen Ergebnis gelangen wird." Mittlerweile ermittelt allerdings die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Wirt aufgrund seiner Äußerungen im Erstverfahren wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage.
Maurer ist im Oktober 2018 am Wiener Straflandesgericht wegen übler Nachrede zu 150 Tagsätze je 20 Euro, also 3.000 Euro worden, die sie an den Staat hätte zahlen müssen. Weitere 4.000 Euro für die "erlittene Unbill" sollten an den Kläger gehen. Dessen weitergehenden Ansprüche wegen angeblichen Geschäftsrückgangs wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zudem hätte Maurer die Kosten des Verfahrens übernehmen müssen.
Maurer hatte am 30. Mai veröffentlicht, dass sie am Vortag vom Besitzer des Craft-Beer-Geschäftes über den Facebook-Nachrichtendienst Messenger obszöne Nachrichten bekommen habe. "Gestern hat er mich da blöd angeredet und mir diese Nachrichten geschickt", berichtete Maurer und veröffentlichte einen Screenshot der Botschaft mit eindeutig sexuell anzüglichen Inhalten.
Der Geschäftsbesitzer wurde daraufhin von Usern mit Beschimpfungen überschwemmt, sein Lokal erhielt im Netz schlechte Bewertungen und der Mann wurde mehrfach bedroht. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser zu sein, und klagte. Der Unternehmer schloss sich dem Verfahren mit 20.000 Euro an, da er seiner Meinung durch den Shitstorm einen materiellen Schaden erlitten hatte. Hinzu kamen medienrechtliche Anträge auf Entschädigung in der Höhe von 40.000 Euro. Der Lokalbesitzer meinte, sein PC samt Facebook-Account wäre auch den Gästen zur Verfügung gestanden.