Gab es Mitte des 20. Jahrhunderts allein in der Steiermark noch fast 300 Brutpaare ist dieser Bestand seither kontinuierlich zurückgegangen. 2018 brütete erstmals kein Blaurackenpaar in Österreich, berichten das Naturhistorische Museum (NHM) Wien und BirdLife Österreich am Donnerstag.
"Beim Aussterben zusehen" ("Witnessing extinction") - so übertitelten die Wissenschafter der beiden Einrichtungen nun eine im Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research veröffentlichte Studie, in der sie umfangreiche genetische Ergebnisse über die Blauracke veröffentlichten. Sie verwendeten dafür einerseits Proben von Nestlingen, die zwischen 2003 und 2015 in der Steiermark beringt worden waren, andererseits Vögel, die als Belegexemplare in der Vogelsammlung des NHM Wien aufbewahrt werden. Dazu kam Vergleichsmaterial aus anderen europäischen und asiatischen Ländern.
In der Studie zeigte sich deutlich der Verlust genetischer Vielfalt in Folge des Zusammenbruchs der steirischen Population. Während die historischen Proben aus Österreich aus den Jahren 1874 bis 1931 genetisch äußerst variabel waren, sank die Diversität von Vögeln aus späteren Jahren stetig, bis sich schließlich in der Gegenwart die Racken genetisch einander extrem stark ähnelten.
Massive genetische Verarmung
Das bedeutet, dass nicht nur die Zahl der Blauracken stark zurückgegangen ist, sondern die Population auch eine massive genetische Verarmung erlitten hat. Die Wissenschafter vermute, dass dies in Verbindung mit dem Verlust an geeigneten Lebensräumen dafür verantwortlich ist, dass die verbliebenen Vögel immer seltener bzw. gar nicht mehr brüten. Heuer sind lediglich wenige nichtbrütende Altvögel aus dem afrikanischen Überwinterungsgebiet zurückgekehrt.
Die Studie zeigte auch, dass die Blauracken-Vorkommen in Ost- und Südosteuropa genetisch den österreichischen Vögeln sehr ähnlich sind. Es würde daher nichts dagegen sprechen, die steirische Population mit Vögeln aus Ost- und Südosteuropa aufzustocken und genetisch aufzufrischen. Für die Forscher ist es aber fraglich, ob das bei einer so stark isolierten Reliktpopulation, die sich auf natürlichem Wege schon seit Langem nicht mehr mit den weit entfernt vorkommenden Beständen austauschen kann, erfolgversprechend wäre.
BirdLife Österreich hatte erst kürzlich vor dem Aussterben einer weiteren Vogelart in Österreich gewarnt: Vom Raubwürger (Lanius excubitor), einem amselgroßen Vogel mit schwarzer "Räubermaske" auf hellem Kopf, brüteten heuer gerade zwölf Paare in Niederösterreich, sieben im Waldviertel, fünf im Weinviertel. Er ist damit eine der seltensten Vogelarten Österreichs.
Nach Angaben der Vogelschutzorganisation sind in den vergangenen 20 Jahren die Bestände der meisten heimischen Feldvogelarten völlig eingebrochen. Als Grund wird die Intensivierung der Landwirtschaft geortet: frühes und häufiges Mähen der Wiesen, Verlust von Hecken, Feldrainen und Einzelbäumen, Rückgang von Ackerbrachen und Altgrasflächen sowie der Einsatz von Pestiziden. BirdLife Österreich-Chef Gabor Wichmann hält es daher für dringend notwendig, den Landwirten, die jene für die Artenvielfalt wichtigen Rückzugsräume pflegen, besser zu fördern.