Gott schütze Österreich.“ Mit diesem Wunsch beendet Bundeskanzler Kurt Schuschnigg am 11. März wenige Minuten vor 20 Uhr seine Radioansprache, mit der er seinen Rücktritt bekannt gibt. Die Ansprache wird aus dem Eckzimmer des Kanzleramtes übertragen, aus jenem Raum, in dem Schuschniggs Vorgänger Engelbert Dollfuß am 25. Juli 1934 von den Nationalsozialisten bei ihrem misslungenen Putsch ermordet worden war. Der fromme Wunsch des scheidenden Kanzlers wird nicht erhört. Als ob ein Schnellkochtopf explodiert und seinen ganzen Inhalt mit aller Wucht ausspeit, gebärdeten sich jetzt die Nationalsozialisten, die auf die Straßen und Plätze strömten, alte Parteigenossen und neue, vereint im Taumel des Sieges.
Der Schriftsteller Carl Zuckmayer beschrieb diese Nacht auf den 12. März in seinen Erinnerungen „Als wär’s ein Stück von mir“ so: „An diesem Abend brach die Hölle los. Die Unterwelt hatte ihre Pforten aufgetan und ihre niedrigsten, scheußlichsten, unreinsten Geister losgelassen. Die Luft war von einem unablässig gellenden, wüsten, hysterischen Gekreische erfüllt, aus Männer- und Weiberkehlen, das tage- und nächtelang weiterschrillte. Und alle Menschen verloren ihr Gesicht, glichen einer verzerrten Fratze: die einen in Angst, die andren in Lüge, die andren in wildem, hasserfülltem Triumph. Es war ein Hexensabbat des Pöbels und ein Begräbnis aller menschlichen Würde.“
Das ist auch die Stunde eines gewissen Kajetan Mühlmann. Einem aus Salzburg stammenden Kunsthistoriker, der schon früh zur Familie Hermann Görings, des späteren Reichsmarschalls, Kontakte knüpfte. Die Behörden des österreichischen Ständestaates sehen diesen Mühlmann 1935 in Diensten der verbotenen Nazi- Partei und auf den Sturz der Regierung hinarbeitend. Bei einem Prozess wird er aber freigesprochen.
Im Februar 1938 taucht Mühlmann wieder auf. Auf dem Obersalzberg, bei Adolf Hitler. Am 12. Februar, als Schuschnigg auf dem Berghof des Obersalzberges vom deutschen Diktator gedemütigt wird, ist der kunstsinnige Salzburger zur Stelle. Als eine Art Vertrauensmann Hitlers, der ihn über die Verlässlichkeit von Arthur Seyß-Inquart, der künftig in der österreichischen Regierung als Sicherheitsminister die braunen Interessen vertreten soll, befragt. Mühlmann ist mit Seyß-Inquart befreundet. Der gebürtige Salzburger befindet sich am 11. März in Wien in der Zentrale der Nationalsozialisten, wo die führenden Nazis geschäftig den Umsturz und späteren Anschluss Österreichs an Hitlers Reich vorbereiten.
Noch ohne irgendeine staatliche Funktion zu haben, verhaftet Mühlmann in der Nacht von 11. auf 12. März den Diplomaten Theodor Hornbostel, der als Mitarbeiter im Außenministerium Stunden zuvor telefonisch versucht hat, Hilfe in London, Paris und Rom gegen den bevorstehenden deutschen Einmarsch zu bekommen.
Nach der Ernennung von Seyß-Inquart zum Bundeskanzler erhält auch Mühlmann endlich seinen Lohn: Der nun offiziell ranghohe SS-Mann wird zum Staatssekretär für Kultur bestellt. Damit startet seine Karriere als Kunsträuber für das Naziregime. Nach Wien übersiedelt die „Dienststelle Mühlmann“ nach Polen und in die Niederlande. Er beschlagnahmt mit seiner Bande öffentliche Kunstschätze und raubt Juden ihren Besitz.
Mit Ende des Krieges wird der Nazi Mühlmann, „im Rang eines Generals“, wie er gerne protzte, von den Amerikanern zwar interniert, er kann jedoch entwischen und lebt ungestört am Starnberger See, macht Aussagen über den einen oder anderen Kriegsverbrecher. Er sei nie ein illegaler Nazi gewesen, sondern erst am 1. April 1938 der Partei beigetreten, gibt der vormalige SS-Oberführer zu Protokoll. Mühlmann bleibt von der Justiz unbehelligt. Seinen Unterhalt finanziert er angeblich mit dem Verkauf geraubter Kunstgegenstände, die er beiseiteschaffen konnte. Des Führers beamteter Kunsträuber stirbt am 2. August 1958 in München an Krebs und wird in Salzburg begraben.