Jung, alternativ, gut ausgebildet, jedoch wenig Ahnung von Landwirtschaft – und doch werden sie Bauern in den entlegenen Gegenden der Alpen. Dieses Phänomen der sogenannten „New Farmers“ wird derzeit vom Institut für Geografie der Uni Innsbruck unter der Leitung von Ernst Steinicke untersucht. „Neu ist daran vor allem, dass jetzt agrarferne und junge Schichten in den verlassenen Gegenden, in denen Grund und Boden günstig erwerbbar ist, beginnen Landwirtschaft zu betreiben – aber keine marktorientierte Landwirtschaft, sondern es geht um den Traum der Selbstversorgung und Sinnsuche“, erklärt Steinicke. In konkrete Zahlen gießen lasse sich das Phänomen jedoch nicht. Diese Bewegung sei in Frankreich mit den Hippies entstanden und über das Piemont nun auch in den slowenischen Alpen und im friaulischen Gebirge angekommen.
Das Dorf Dordolla in der Gemeinde Moggio Udinese im Friaul war etwa eine dieser Siedlungen, die noch vor 20 Jahren fast entvölkert war, jedoch heute wieder an die 60 Einwohner zählt – ein Großteil davon aus der Ferne zugewandert. Einer davon ist der Kärntner Kaspar Nickles. Er hat Impulse gesetzt, damit Dordolla wieder landwirtschaftlich genutzt wird, und betreibt selbst Ackerbau und Schafhaltung. Damit bekämpft er die sich seit der Entvölkerungsperiode (1950-1995) ausbreitende Verbuschung. Daneben betreibt seine Familie einen Agrotourismus-Betrieb.
Wieder Leben im Dorf
„Ich hatte keine Lust auf einen Bürojob. Durch meine Frau, deren Eltern aus Dordolla stammen, kamen wir hierher. Mich hat die Gegend und die Idee, etwas Neues aufzubauen, einfach fasziniert“, erzählt Nickels. Als der Kärntner 2005 nach Dordolla kam, war es ein am Ende scheinendes Bergdorf. Nickles und seine Frau versuchen seither durch ökologischen Acker-, Garten- und Obstbau, durch Forstwirtschaft und Schafhaltung, die Reste der Kulturlandschaft des Ortes zu erhalten. Durch die schwierigen Arbeitsbedingungen in der alpinen Landschaft würde seine Familie davon allerdings nicht leben können. Sanfter Tourismus, wie Wanderungen und Urlaub am Bauernhof, samt Verkostung der angebauten Lebensmittel, bilden die Grundlage ihres Lebensunterhaltes. „Wir versuchen hier, ein für uns artgerechtes Leben zu verwirklichen. Denn so wie die meisten Menschen heutzutage leben, ist nicht gesund“, glaubt der Landwirt. Außerdem gründete er einen Kulturverein, der dafür sorgen soll, dass das Dorf bekannter wird. „In den 13 Jahren, seit ich hier lebe und arbeite, hat sich vieles verändert. Das Leben ist auf den Dorfplatz zurückgekehrt“, erzählt Nickles.
Das bestätigt auch die Forschung. Dordolla wurde darum zur Modellgemeinde. „Dort, wo Menschen wieder in verlassene Gegenden ziehen, sind auch immer die ‘New Farmers’ eine treibende Kraft für neue Ideen und Veränderung“, so der Forscher der Uni Innsbruck. „Das sehen wir in allen Gebieten, in denen heute wieder Zuzug herrscht.“.
Auch in Österreich haben die Forscher nun begonnen, das Phänomen zu untersuchen: „Wir haben abgeschiedene Gebiete gesucht, wie das Lesachtal in Kärnten und das Tiroler Gailtal. Das sind Gebiete, die drastisch an Einwohner verlieren und wir haben entdeckt, dass es dort auch einige ‘New Farmers’ gibt. Nicht die Masse, aber sie bringen neue Ideen“ sagt Steinicke. In einem weiteren Projekt soll das nun weiter untersucht werden.
Maria Schaunitzer