Ab kommendem Dienstag muss sich ein 56-jähriger Wiener am Landesgericht für Strafsachen verantworten, der Anfang des Jahres seine Wohnung in der Hernalser Hauptstraße vorsätzlich in die Luft gesprengt haben soll. Der Hausverwalter kam dabei ums Leben. Die Anklage lautet auf Mord und - bezogen auf die weiteren im Explosions-Zeitpunkt im Gebäude befindlichen Personen - 23-fachen Mordversuch.

Zusätzlich wird die Staatsanwaltschaft im Sinne des Paragrafen 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) in der Verhandlung die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragen. Ausschlaggebend dafür ist ein Gutachten des Psychiaters Karl Dantendorfer. Dieser kommt zum Schluss, dass der 56-Jährige derart gefährlich ist, dass weitere Verbrechen mit schweren Folgen zu befürchten sind, sofern er im Fall eines Schuldspruchs nicht im Maßnahmevollzug angehalten wird. Dort wäre eine die Haft begleitende therapeutische Behandlung gewährleistet.

Racheakt wegen Delogierung

Bei der inkriminierten Tat handle es sich um einen "Racheakt", heißt es wörtlich in der Anklageschrift. Der Hausverwalter - ein Rechtsanwalt, der unter anderem auf die Verwaltung von Zinshäusern spezialisiert war und der das Objekt in der Hernalser Hauptstraße 210 betreute - hatte die Delogierung des 56-Jährigen betrieben, weil dieser seit längerem keine Miete mehr bezahlte und auf Mahnschreiben nicht reagierte. Auch Strom- und Gasrechnungen blieben offen. Für den 26. Jänner war die Delogierung angesetzt. Nachdem der Betroffene vom Termin erfahren hatte, erzählte er davon am Vorabend seinem Cousin und seiner Mutter. In den folgenden Stunden dürfte - folgt man der Staatsanwaltschaft - in ihm der Entschluss gereift sein, seine Wohnung in die Luft zu jagen.

Um 7.30 Uhr erschienen der Hausverwalter, dessen Ehefrau, ein Gerichtsvollzieher, ein Schlosser und mehrere Arbeiter, die die Wohnung räumen sollten. Als der Schlosser die Tür aufbohrte, weil das Klopfen unbeantwortet geblieben war, kam es zu einer Explosion. Laut Anklage hatte der Mieter ein Gas-Luftgemisch entzündet, das sich in seiner Ein-Zimmer-Wohnung gebildet hatte. Der Mann soll in den Nacht- oder frühen Morgenstunden den Gaszähler demontiert, das Gasleitungsventil aufgedreht und so Gas ausströmen haben lassen.

Auch Baby verletzt

Die Wucht der Detonation hob die Wohnungstür aus den Angeln, die den davor befindlichen Personen um die Ohren flog. Der 64 Jahre alte Hausverwalter überlebte das nicht, der Gerichtsvollzieher und der Schlosser wurden schwer verletzt. Zudem stürzten mehrere Trennwände ein - ein wenige Tage altes Baby in einer Nachbarwohnung kam zum Glück glimpflich davon. Auch der Angeklagte selbst erlitt schwere Verletzungen.

Der 56-Jährige hatte nach seiner Festnahme versichert, keine mörderischen Absichten verfolgt zu haben. Er behauptete, er habe eine lecke Gasleitung, die ihm seiner Darstellung zufolge schon seit Monaten zu schaffen machte, abdichten wollen. Dabei sei ihm unabsichtlich das Unglück passiert.

Gerichtspsychiater Dantendorfer beschreibt den Angeklagten in seinem Gutachten als verhaltensauffälligen Mann. Dieser soll eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aufweisen. Die Diskretionsfähigkeit sei "noch erhalten", die Dispositionsfähigkeit "herabgemindert", so der Sachverständige. Im Tatzeitpunkt war laut Dantendorfer aber Zurechnungsfähigkeit und damit Schuldfähigkeit gegeben.

Urteil erst im Dezember

Die Verhandlung ist auf vier Tage anberaumt. Zahlreiche Zeugen, zwei Gerichtsmediziner, der Psychiater, ein Sachverständiger für Gasgeräte und Gasleitungsanlagen sowie ein Experte für Brand und Explosionsermittlung sind geladen. Die Verhandlung wird Richterin Andrea Wolfrum leiten. Das Urteil ist für 4. Dezember geplant.