Am Landesgericht Salzburg hat am Montag der zweitägige Prozess gegen einen Norweger (42) begonnen, der am 20. Februar 2017 im Pinzgau einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte. Die Staatsanwaltschaft brachte einen Antrag auf Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein. Bei Zurechnungsfähigkeit wäre ihm Mord und versuchter Mord angelastet worden.
Rücksichtslose Fahrweise
Der Diplomkaufmann aus Norwegen war mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in einem Mietwagen in Richtung Gastein (Pongau) unterwegs, wo die Familie ihren Skiurlaub verbringen wollte. Kurz vor dem tödlichen Crash fiel einigen Verkehrsteilnehmern die rücksichtslose Fahrweise des 42-Jährigen auf. Schließlich lenkte er den BMW X5 in Leogang links an einem Fahrbahnteiler der Hochkönigstraße (B164) vorbei, missachtete die Sperrlinie und ein Überholverbot, beschleunigte auf 145 bis 154 km/h bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, blieb weiterhin auf der linken Straßenseite und steuerte "reaktionslos und ohne Ausweichmanöver" auf einen Pkw zu, wie Staatsanwalt Andreas Allex schilderte.
Der BMW krachte ungebremst in das entgegenkommende Auto. Dessen Lenker, ein 24-jähriger Pinzgauer, der laut Allex unter 80 km/h fuhr, hatte keine Chance auszuweichen. Der Audi A3 wurde rund 30 Meter von der Kollisionsstelle weggeschleudert und landete in einer Wiese. Der Pinzgauer starb noch an der Unfallstelle. Die Mitfahrer des Norwegers - seine Ehefrau und seine beiden Kinder im Alter von damals sieben und acht Jahren - und auch der 42-Jährige selbst wurden schwer verletzt.
"Akut psychotischer Zustand"
Zunächst konnte der Salzburger Neuro-Psychiater Ernst Griebnitz bei dem Norweger keine Hinweise auf Zurechnungsunfähigkeit feststellen, der 42-Jährige erzählte dem Gutachter nichts von seiner krankhaften Vorgeschichte. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Mordes und versuchten Mordes ein. Dann wurden Krankenakte aus Norwegen herbeigeschafft und der Mann erneut begutachtet. Der neuro-psychiatrischen Sachverständigen Gabriele Wörgötter zufolge litt er zum Unfallzeitpunkt an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Er befand sich demnach in einem akut psychotischen Zustand, in dem er den Realitätsbezug verloren hat. Der Mann habe Wörgötter erklärt, er habe sich vom Geheimdienst verfolgt gefühlt und angenommen, "er wäre in einem Simulator, wo ihm nichts passiere könne", so der Staatsanwalt.
In seiner Einvernahme durch die Vorsitzende des Schwurgerichts, Richterin Bettina Maxones-Kurkowski, entschuldigte sich der Norweger heute mit ruhiger Stimme und in gutem Deutsch - er hatte in Österreich studiert und jahrelang in Deutschland gearbeitet - bei den Angehörigen und Freunden des getöteten Pinzgauers für den tragischen Unfall. "Es tut mir so furchtbar leid, was passiert ist. Ich werde es nie rückgängig machen können." Allerdings könne er sich an den Unfall nicht mehr erinnern.
"Art Prüfung beim Geheimdienst"
Was er noch wisse, sei, dass er auf der Fahrt in den Skiurlaub wegen eines technischen Problems den Mietwagen in Hamburg austauschen musste und dann auf der Weiterfahrt ein Hinterreifen platzte. So ging er zur Konkurrenz und nahm sich den BMW. Die Anreise ins Gasteinertal verzögerte sich dadurch um einen Tag. Das sei ärgerlich gewesen, erzählte der 42-Jährige. Ob er sich noch an die Gefühle erinnern könne, die er damals während des Autofahrens hatte, fragte die Vorsitzende. "Ich dachte, das war eine Art Prüfung beim Geheimdienst, um meine psychische Belastbarkeit zu testen. Ich wollte nicht aufgeben, vielleicht war es eine Art Trotz. Ich wollte diesen Skiurlaub machen und es schön haben", lautete die Antwort.
Ob er an jenem 20. Februar 2017 beschlossen habe, sich selber und seine Familie zu töten? "Nein. Ich habe eine tolle Frau und zwei fantastische Kinder. Die eheliche Beziehung war sehr gut", antwortete der Norweger auf eine weitere Frage der Vorsitzenden. Das bestätigte seine Frau im Zeugenstand. Es habe auch keinen Streit vor Antritt der Reise gegeben. Sie könne sich aber weder an den Unfall selbst noch daran erinnern, ob während der Fahrt im Wagen Diskussionen stattfanden, sagte die Zeugin.
Krankenstand wegen Burn-out-Syndrom
Der Familienvater gestand allerdings ein, dass er einen "großen Fehler" gemacht habe und nicht zum Arzt gegangen sei, als er zum Jahreswechsel 2016/2017 den Drang verspürt habe, im Kreis zu gehen. Einmal sei er in der Nacht nackt aus dem Haus in eine Kirche gerannt. Er habe Schutz suchen wollen, weil er dachte, es sei eine Atomsprengung ausgelöst worden.
Der Norweger hatte bereits 2002 an einer akuten Psychose gelitten und sich von Geheimdiensten der NATO und dem österreichischen Geheimdienst verfolgt gefühlt. Er verursachte einen Sachschadenunfall, indem er in Berlin mit einem Auto gegen einen Baum fuhr. Nach einer zunächst stationären und dann ambulanten Behandlung wurde er im August 2003 gesund geschrieben. 2011 kam es abermals zu einer kurzen psychotischen Episode. Das Jahr 2016 sei ein schwieriges gewesen, er sei beruflich nach Norwegen gegangen, seine Familie aber erst später nachgezogen. Drei Wochen vor dem tödlichen Unfall im Pinzgau habe ihn ein Arzt wegen eines Burn-out-Syndroms zu 40 Prozent krankgeschrieben, erzählte der Mann. Der Mediziner habe gemeint, Sport würde ihm gut tun. Deshalb habe er sich auf den Skiurlaub in Gastein gefreut.
Verteidiger Kurt Jelinek führte aus, dass bei dem Norweger, der derzeit in der Salzburger Christian-Doppler-Klinik auf der Sonderstation für forensische Psychiatrie stationär betreut wird, bereits ein signifikanter Behandlungserfolg eingetreten sei. Der Mann, der nach dem Unfall rund drei Monate im Rollstuhl gesessen sei, befinde sich in einem guten psychischen Zustand, aber physisch gehe es ihm noch schlecht. Nach der Gutachtenerörterung und den Einvernahmen von drei Zeugen werden die Geschworenen am Dienstag über den Einweisungsantrag der Staatsanwaltschaft entscheiden.