"Sie erleben diese auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Lokalen", berichtete die Arbeiterkammer (AK) Wien, von der die Studie mit dem AMS initiiert worden ist.
Am Arbeitsplatz sei es für Betroffene nicht immer sofort erkennbar, wenn es zu solchen Vorkommnissen kommt, etwa im Fall von scheinbar zufälligen Berührungen. Häufige Reaktion: "Leichtere" Übergriffe werden ignoriert. "Frauen wollen auch nicht zickig wirken oder als Opfer gesehen werden und übergehen deshalb diese Vorfälle", so die AK.
Als weitere Gründe zu schweigen nannten Betroffene neben Angst um den Arbeitsplatz den Wunsch, nicht als Opfer stigmatisiert zu werden und sich selbst verteidigen zu wollen. Fehlende betriebliche Einbindung bei kurzen Beschäftigungen wie Praktika und Studentenjobs erschwere das Ansprechen solcher Vorfälle. Mehrere Befragte nannten auch Schamgefühle oder suchten die Schuld bei sich selbst - "zu viel geschminkt", "zu höflich".
Junge erzählen von Belästigungen
Erstellt wurde die qualitative Studie vom Institut für Konfliktforschung. Dabei ging es nicht um das Erheben der Häufigkeit. 31 Mädchen und 19 Burschen zwischen 16 und 25 Jahren wurden zu ihren Erfahrungen befragt.
Die jungen Männer erlebten sexuelle Belästigungen vor allem durch Kundschaft, etwa als Zivildiener bei der Rettung, die weiblichen Befragten durch Arbeitgeber, Kollegen und Kunden. Die Vorfälle reichten von verbalen bis körperlichen Übergriffen, wobei die Burschen ausschließlich von physischen Belästigungen erzählten. Die jungen Frauen wurden von Männern belästigt, die Burschen erlebten Übergriffe von Frauen und Männern. Nur wenige reagierten unmittelbar auf eine Belästigung, fast alle vertrauten sich jemandem an, nur zwei junge Frauen erstatteten Anzeige.
Klares Signal gefordert
Als Berufseinsteiger seien junge Menschen im Unternehmen in einer schwächeren Position und daher besonders stark betroffen, lautet eine zentrale Schlussfolgerung der Autoren. "Es braucht das klare Signal der Unternehmensleitung, dass sexuelle Belästigung nicht toleriert wird", forderte Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen, Familie in der AK Wien.
Zusätzlich wurden Fachleute befragt, u.a. von der AK sowie eine Anwältin für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt und ein Richter eines Arbeits- und Sozialgerichts. Lehrlinge gelten demnach als besonders gefährdet. Unterschiedliche Auffassungen gab es hinsichtlich der Verletzbarkeit älterer Frauen: Während die einen sie für "wehrhafter" hielten, meinten andere, die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes habe auch bei ihnen Verschweigen zur Folge. Als die "anfälligsten" Berufssparten wurden das Gastgewerbe, Friseurbetriebe, der Gesundheitsbereich und der Handel genannt. Weitgehend übereinstimmend wurde angenommen, dass es eher in kleineren Betrieben als in großen zu Belästigungen komme.
"In einzelnen Fällen" erhielten Betroffene Unterstützung von ihren Vorgesetzten. In einem Lokal wurde ein Kunde hinausgeworfen, es gab Anti-Sexismus-Workshops für Beschäftigte und Hinweise durch Vorgesetzte, dass sexuelle Belästigung nicht toleriert wird. In einer Werbeagentur wurden die Mitarbeiter gecoacht, bei sexueller Belästigung laut zu sagen: "Mein Herr, Ihre Hände gehören da nicht hin."
Eine Opfer-Täter-Umkehr müsse vermieden werden, betonte die AK. Ratschläge, die Jugendlichen sollten frühzeitig und deutlich Grenzen setzen, seien nicht ausreichend. "Wenn es in Unternehmen ein Grundklima des Respekts gibt, bedeutet dies Prävention gegen sexuelle Belästigungen und andere Übergriffe", schrieben die Studienautoren.