Das Anti-Verhüllungsgesetz, vulgo Burkaverbot, ist seit 1. Oktober in Kraft. "Es läuft schwierig, wie es zu erwarten war", zog Manfred Reinthaler, Pressechef der Bundespolizeidirektion Wien, am Montag eine vorsichtige Zwischenbilanz über die ersten acht Tage der Umsetzung. Belastbare Zahlen, wie viele Amtshandlungen die neue Regelung bisher beschert hat, lagen noch keine vor, würden aber erhoben.
"Die Ausnahmen im Gesetz sind oft schwer auszulegen. Da müssen noch Klarstellungen getroffen werden", sagte Reinthaler auf APA-Anfrage. Der Gesetzestext sei "allgemein gehalten, das muss man erst auf die Einzelfälle runterbrechen. Und es gibt dazu auch noch keine Judikatur", gab der Hofrat zu bedenken.
"Viel Fingerspitzengefühl" erforderlich
Die Wiener Polizei geht nun daran, "mögliche Sachverhalte" anhand bisher aufgetauchter Vorfälle aufzulisten, um sie mit einer rechtlichen Einschätzung zu versehen. Diese Liste soll rund 20 Beispiele umfassen und den Polizisten im Außendienst als Hilfe dienen. Die Beamten sollen demnächst - noch am Montag oder am Dienstag - auf den "Spickzettel" zurückgreifen können. In jedem Fall bräuchten diese "viel Fingerspitzengefühl", hieß es von allen Seiten.
Wie viele Amtshandlungen auf Basis der neuen Rechtsgrundlage bisher gesetzt wurden, blieb zunächst unklar. In Wien sei eine Monatsstatistik in Auftrag gegeben worden, sagte Reinthaler. Erste Zahlen dürften aber schon nächste Woche vorliegen. Für die österreichweite Perspektive hielt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, fest: "Es gibt keine begleitende zentrale statistische Erfassung."
Medial bekannt gewordene Vorfälle betreffen etwa einen als Hai verkleideten Promoter, der laut einem Bericht der Zeitung "Heute" am Wochenende in der Wiener Innenstadt bei einer Geschäftseröffnung beamtshandelt wurde. Polizeisprecher Harald Sörös bestätigte der APA, dass es hier eine Anzeige nach dem Verhüllungsverbot gegeben habe, und zwar gegen den Auftraggeber des "Hais", den Shopinhaber. Der Sprecher betonte aber, dass die Beamten nicht aus Eigeninitiative tätig wurden, sondern auf Aufforderung: "Es war keine eigene dienstliche Wahrnehmung. Eine Person hat die Polizei gerufen wegen eines Vermummten." Dann nahm der übliche Rechtsweg seinen Lauf und wird wohl in einem Präzedenzfall münden. Die erfolgte Anzeige sei "ein normaler Vorgang im Verwaltungsrecht" und keinesfalls eine Schuldzuweisung.
Straßenmusiker mit Pferdemasken
Keine Anzeige habe es hingegen für die Wien-weit bekannten drei Straßenmusiker mit Pferdemasken gesetzt, auch keine diesbezügliche Drohung. Die Männer seien darauf hingewiesen worden, dass ihre Maskierung im Rahmen ihrer künstlerischen Tätigkeit bzw. Darbietung wohl weiterhin zulässig sei, sie aber danach nicht als Pferde ihren Standort verlassen dürften, sagte Sörös. "Es hat nur eine Rechtsbelehrung stattgefunden."
Sonnenbrillen, auch große, fallen laut dem Wiener Polizeisprecher "ganz klar nicht" unter das Verbot. Nicht ganz so eindeutig ist die Sache offenbar bei Tüchern oder Schals, die das Gesicht teilweise verdecken. Die Tageszeitung "Der Standard" berichtete jüngst, eine Leserin sei, beim Rathaus mit Schal über dem Mund vorbeiradelnd, "abgemahnt" worden. "Es gab ein kleines Gespräch mit der üblichen Identitätsfeststellung", so Sörös dazu.
"Es ist immer der Gesamtzusammenhang zu beurteilen und die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen", betonte Grundböck. Bei "Tatprovokation" müsse die Polizei jedenfalls einschreiten, hielt Reinthaler fest. "Handelt es sich um eine bewusst gesetzte Provokation, um das Gesetz auszureizen, wird das nicht geduldet werden", meinte auch Sörös.
Und der Schal bei Kälte?
Beim Schal beispielsweise ist die Sache aber offensichtlich schwierig. "Der Gesetzgeber hat keine Temperaturen festgelegt", so Grundböck. "Das ist eine der unklaren Situationen, die jetzt einer Klärung zugeführt werden sollen", kündigte Reinthaler an. Noch geprüft werde auch ein Vorfall mit einer Reporterin, die zu Recherchezwecken voll verhüllt durch die Innenstadt gewandert war und ihre Erfahrungen - nichts passiert - in einer Zeitung veröffentlicht hat. Motorradfahrer können laut dem Hofrat hingegen damit rechnen, dass sie auch nach dem Absteigen, etwa beim Tanken, ihren Helm auflassen dürfen.
Tatsächlich angezeigt wurde vergangene Woche eine junge Frau, die bei einer U-Bahnfahrt von der Zieglergasse bis zum Westbahnhof von einer Lehrerin und einer zweiten Passantin auf die Unrechtmäßigkeit ihrer Vollverschleierung hingewiesen worden war. Daraus entstand ein Streit, im Zuge dessen die Bushiya-Trägerin den beiden anderen Frauen jeweils einen Stoß versetzt haben soll. Niemand kam zu Sturz oder wurde verletzt. Die junge Frau wurden wegen versuchter Körperverletzung sowie nach dem Anti-Verhüllungsgesetz angezeigt.
Frau in St. Pölten zweimal angezeigt
Im Zusammenhang mit dem Verhüllungsverbot wurde laut Polizeisprecher Johann Baumschlager in Niederösterreich eine Frau in St. Pölten zweimal angezeigt - sie weigere sich, die Burka abzunehmen. Zudem habe es zwei Abmahnungen gegeben, beide auf dem Flughafen Wien in Schwechat.
Kommunikation erzeuge Verständnis, stellte Baumschlager fest. "Deshalb bilanzieren wir sehr, sehr positiv." Im Burgenland ist bei der Landespolizeidirektion bisher keine Anzeige im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Vermummungsverbot bekannt, hieß es am Montag auf APA-Anfrage. Dies betreffe sowohl das Tragen der Burka als auch andere Formen der Gesichtsverhüllung, die unter das Verbot fallen.
Auch in der Steiermark gab es offenbar keine Fälle von Verstößen gegen das Verhüllungsverbot, zumindest keine gemeldeten. "Wir haben da auch keine schwerpunktmäßige Überwachung", sagte ein Sprecher der Landespolizeidirektion auf APA-Anfrage. Zudem würden eventuelle Vorfälle nicht statistisch erfasst. Auffällig wäre die Sache nur, wenn ein anderer Tatbestand als eine Verwaltungsübertretung vorliege oder sich eine größere Menschenmenge bei einer Amtshandlung ansammle.
Polizisten informieren in Zell am See
Das Verhüllungsverbot hat die Polizei auch in Vorarlberg noch nicht auf den Plan gerufen. "Es gab noch keine Amtshandlung", sagte ein Polizeisprecher gegenüber der APA. Demnach wurden weder Personen angezeigt noch abgemahnt. Aus Kärnten wurde bisher ebenso kein einziger Fall gemeldet. Die oberösterreichische Polizei gab auf APA-Anfrage keine Stellungnahme ab und verwies auf das Innenministerium.
Laut der Pressestelle der Polizei in Salzburg liegt auch dort noch keine Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Verhüllungsverbot vor. Organstrafmandate wurden ebenso wenig ausgestellt. Im Raum Zell am See, wo besonders viele Gäste aus dem arabischen Raum auf Urlaub sind, seien nach wie vor Polizisten unterwegs und würden über das neue Gesetz informieren. Die Gäste würden das akzeptieren.
Auch in Tirol waren der Polizei bis dato "keine relevanten Vorfälle" bekannt, sagte ein Sprecher der APA. In Wien hat die Landespolizeidirektion (LPD Wien) angekündigt, ihre Beamten mit einer Liste zu versorgen, die Anhaltspunkte bieten soll, wie das Gesetz in der Praxis zu handhaben ist. Wie viele Amtshandlungen bisher gesetzt bzw. wie viele Anzeigen es gegeben hat, soll bis nächste Woche ausgewertet werden.