Ein rotes Range-Rover-Cabriolet mit Münchner Kennzeichen ist auf dem Parkplatz des Grand Hotels in Zell am See eingetroffen. Das Dach des Geländewagens ist offen, obwohl es nicht wärmer als 19 Grad Celsius ist. Das Paar steigt aus, der Mann zündet eine Zigarre an, seine Begleiterin im Nikab wartet auf den Hotelbediensteten. Er nimmt das Gepäck mit.
Gäste wie diese sind derzeit selten im Pinzgau – und das, obwohl in der Sommersaison etwa zehn Prozent aller Touristen der Ferienregion Zell am See-Kaprun aus dem arabischen Raum kommen. Nur die Gruppe der deutschsprachigen ist größer. Die Touristen aus dem Nahen und Mittleren Osten schätzen die Landschaft und das verhältnismäßig kühle Wetter hier in „Selamse“ – so sagen die Araber zum Städtchen im Pinzgau. Und ganz wichtig: Einmal im Leben Schnee in den Händen halten – das kann man nach einer Fahrt mit der Kapruner Gletscherbahn am Kitzsteinhorn.
Zurück zum Grand Hotel: Wenn man das Ufer entlangschlendert, sieht man derzeit kaum Frauen mit Vollverschleierung. Im Gegenteil, zwei junge Mädchen in Jeans-Hotpants und ärmellosen Leiberln gleiten auf ihren Skateboards zwischen den gelb und orange gefärbten Laubbäumen. Sie symbolisieren den Wechsel: Wenn die Schule beginnt, ist die Saison vorbei. Doch im heurigen Herbst seien besonders wenige Gäste aus dem arabischen Raum da. Das hört man, wenn man mit den Händlern und Kellnern spricht.
Das Verschleierungsverbot, das mit 1. Oktober in Kraft tritt, geht nicht spurlos an Zell am See vorüber. In den vergangenen Wochen wurde im Ort viel darüber diskutiert. Umso mehr haben die Funktionäre die Debatte darüber satt. „Ich denke, das Thema ist ausgelutscht“, richtet die Sekretärin von Bürgermeister Peter Padourek (ÖVP) aus.
„Grüß Sie“, sagt die Dame im Fremdenverkehrsbüro mit einem Lächeln. Ob die vielen Prospekte auf Arabisch im Regal bald nicht mehr benötigt werden? „Da die Regelung noch nicht in Kraft getreten ist, lässt sich über die Auswirkungen des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes zurzeit noch keine verlässliche Aussage treffen“, so die nüchterne Analyse aus dem Fremdenverkehrsbüro. Die Araber wüssten sehr wohl über das neue Gesetz in Österreich Bescheid. „Al Jazeera hat groß darüber berichtet“, sagt uns Mohsen Ali Soleiman. Er wurde im Nordirak geboren und ist Geschäftsführer von zwei Restaurants und einem kleinen Supermarkt.
"Wir machen uns richtige Sorgen"
Ali ist einer der wenigen, der offen sagt, was er denkt: „Wir machen uns richtige Sorgen.“ Dann zieht er an seiner tischhohen Wasserpfeife. „Ich habe von vielen arabischen Gästen gehört, dass sie nicht mehr kommen werden“, sagt der Chef von 23 Mitarbeitern. Die Politik ist ihm eigentlich egal und trotzdem lässt ihn diese Sache nicht kalt: „Hand aufs Herz. Mir geht’s ums Geschäft. Uns allen hier geht’s ums Geschäft.“ Von dem Geld der Touristen leben auch drei junge Männer am Ufer des Zeller Sees. Sie arbeiten über die Sommermonate für einen Bootsverleih und können gut davon leben. Wie es weitergeht, wissen sie nicht. „Die Frage ist, wie die Polizei vorgehen will. Im Sommer ist der Park voll mit Arabern. Die meisten Frauen tragen einen Nikab. Wollen sie jede Frau anzeigen, kommen sie nicht mehr zsamm“, glaubt Dominik. Und sein Kollege Daniel ist sicher: „Sie zahlen die 100 Euro und gehen weiter.“
Martin Waltl ist stellvertretender Bezirkskommandant der Polizei im Pinzgau. Er sagt: „Der Anspruch des Gesetzgebers ist klar definiert. Die Gesichtszüge dürfen, unter Berücksichtigung geregelter Ausnahmen, nicht verhüllt sein.“ Man werde die betroffenen Personen informieren und auffordern, die Verhüllung abzunehmen. Hier sollen speziell weibliche Polizistinnen zum Einsatz kommen. Und es gibt mehrsprachige Infoblätter, welche die Polizeibeamten bei sich haben. Sie sollen für Klarheit sorgen. Klar ist bei den Bewohnern von Zell am See noch lange nicht alles. Zu viele Fragen sind offen. Genaues weiß man erst, wenn die Touristen aus dem Nahen und Mittleren Osten zu Beginn des Sommers 2018 kommen – oder auch nicht.
Beim Grand Hotel reist jetzt eine arabische Familie ab. Eine schwarze Limousine mit einem Stern im Kühlergrill und Münchner Nummernschild verlässt das Areal. Der Wagen wirkt frisch poliert. Das jüngste Familienmitglied im Auto winkt. War es ein „Auf Wiedersehen“? Man wird sehen.
Michael Bartholomäus Egger