Weil er am 3. Juli 2017 einen Kindergarten in Wien-Meidling überfallen haben soll, hat sich am Freitag ein 29-jähriger Mann am Landesgericht für Strafsachen verantworten müssen. "I tät' nie in an Kindergarten eine geh'n. I bin kinderlieb. Das gibt's net, dass i des war", behauptete der Angeklagte.
Es war am frühen Nachmittag, als ein Mann die Kinderbetreuungseinrichtung betrat und eine junge Kindergärtnerin ansprach. Er gab vor, seine Tochter anmelden zu wollen. Die junge Frau bat den Mann ins Büro, wo dieser plötzlich ein Messer zückte und - so die Anklage - "Geld her, ich brauche meine Drogen!" rief. Die geschockte Pädagogin übergab ihm 50 Euro, der Täter flüchtete.
Aus mehrjähriger Haft entlassen
Wenig später wurde in der Nähe des Tatorts der 29-Jährige von Polizeibeamten aufgegriffen, der - neben einer weiteren Banknote - einen 50-Euro-Schein bei sich hatte. Der Verdächtige, auf den die Personsbeschreibung der Kindergärtnerin passte, war erst wenige Wochen zuvor aus einer mehrjährigen Haft für einen bewaffneten Trafikraub bedingt entlassen worden.
"Haben Sie den Überfall begangen?", wollte Richterin Petra Schindler-Percoraro nun vom 29-Jährigen wissen. "Nicht dass ich wüsste", erwiderte dieser, "ich kann mich an dem Tag an fast überhaupt nix erinnern." Er habe sich auf der Gumpendorfer Straße Rivotril - ein als "Straßendroge" geläufiges Benzodiazepin - besorgt und sich davon "gleich zehn Stück eine g'haut. Das nächste, was i waß, war, dass i in aner Gummizell'n bei der Polizei aufg'wacht bin".
"Er hat den verfahrensgegenständlichen Raub nicht begangen", insistierte Verteidiger Christian Werner. "Dass man Banken heute nicht mehr überfällt, weil die kein Geld mehr haben, mag schon sein. Aber was soll man in einem Kindergarten rauben?", gab der Anwalt zu bedenken. Er bemängelte, dass nach der Festnahme des Verdächtigen "kein richtiges Ermittlungsverfahren" stattgefunden hätte.
Psychiatrisches Gutachten wird erstellt
Der Kindergärtnerin sowie einer Praktikantin, die den Räuber ebenfalls zu Gesicht bekommen hatte, sei der Angeklagte nicht im Rahmen einer Wahlkonfrontation gegenübergestellt worden: "Man hat ihnen mit einem Handy aufgenommene Fotos gezeigt, anhand derer sie ihn wieder erkannt haben." Zudem sei kein psychiatrisches Gutachten eingeholt worden, um abzuklären, ob sein Mandant überhaupt zurechnungsfähig war, kritisierte Werner.
Der Senat entschloss sich, die Wahlkonfrontation nachzuholen. Auch ein Gutachten wird erstellt. Zu diesem Zweck wurde die Verhandlung auf Mitte November vertagt.