In der Causa Pflegeheim in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten-Land) hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten am Donnerstag gegen Mittag U-Haft für zwei am Vortag festgenommene Pflegekräfte beantragt. Dies verbunden mit der Enthaftung gegen die Weisung, dass sich die Frau und der Mann jeder weiteren Tätigkeit im Pflegebereich enthalten, erläuterte Sprecher Leopold Bien.
Über diesen Antrag musste das Gericht - binnen 48 Stunden nach der gestrigen Festnahme - entscheiden. Die Befragungen seien im Gang, teilte Franz Cutka, Präsident des Landesgerichts, am Nachmittag mit. Wenig später war die Entscheidung auch schon gefallen: Die beiden am Mittwoch festgenommenen Pflegekräfte wurden gegen das Gelöbnis entlassen, bis zum Ende des Verfahrens nicht mehr im Pflegebereich tätig zu sein.
Die Festnahmen waren wegen Tatbegehungsgefahr erfolgt, nachdem bekannt geworden war, dass beide nach ihrer Entlassung im Vorjahr wieder in einem Wiener Pflegeheim gearbeitet haben.
Ermittlungen seit Oktober 2016
Eine Pflegerin hatte im Oktober 2016 eine Vorgesetzte über ihren Verdacht hinsichtlich des Fehlverhaltens von Kollegen informiert. In Folge wurde ein Ermittlungsverfahren gegen fünf ehemalige Pflegekräfte der Einrichtung in Niederösterreich, die im Verdacht stehen, Patienten gequält und vernachlässigt und strafbare Handlungen gegen deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmungen begangen zu haben, eingeleitet. Wie lange es noch dauert, sei nicht abzuschätzen, verwies Staatsanwalt Bien auf das noch ausständige Gutachten eines Gerichtsmediziners, der beauftragt wurde, die Pflegebefohlenen zu begutachten und allfällige Gesundheitsschädigungen als Folgen der Taten festzustellen
Diskussion geht weiter
Unterdessen ist eine Diskussion darüber ausgebrochen, wie es zu verhindern wäre, dass Pfleger trotz schwerer Vorwürfe gegen sie weiter ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen können. "Derzeit ist es so, dass die Staatsanwaltschaft nur dann jemanden vom Verdacht eines Vergehens verständigen darf, wenn sie dazu gesetzlich ermächtigt ist", erklärte Christian Pilnacek, der Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, im Ö1-Morgenjournal. Und diese gesetzliche Grundlage fehle in diesem Fall.
Der Strafrechtsexperte ortete Handlungsbedarf: "Es würde der Absicherung dienen, dass sich derartiges nicht wiederholt." Pilnacek sprach sich für vorübergehende Berufsverbote und Verständigungspflicht aus, wenn in derart gravierenden Fällen ermittelt wird - ähnlich wie es das etwa bei Ärzten bereits gibt. Für eine entsprechende Gesetzesänderung sprach sich auch Patienten- und Pflegeanwalt Gerald Bachinger aus.
Ermittlungen laufen
Über den Inhalt der Befragung der Verdächtigen wurden von Cutka keine Angaben gemacht. Die Festnahmen waren am Mittwoch wegen Tatbegehungsgefahr erfolgt, nachdem bekannt geworden war, dass beide nach ihrer Entlassung im Vorjahr wieder in einem Wiener Pflegeheim gearbeitet haben. Seit Oktober 2016 laufen Ermittlungen gegen fünf ehemalige Pflegekräfte der Einrichtung in Niederösterreich. Sie stehen im Verdacht, Patienten gequält und vernachlässigt und strafbare Handlungen gegen deren sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begangen zu haben.
Wie lange die Ermittlungen noch dauern, sei nicht abzuschätzen, verwies Staatsanwalt Leopold Bien auf das ausständige Gutachten eines Gerichtsmediziners. Dieser war beauftragt worden, die Pflegebefohlenen zu begutachten und allfällige Gesundheitsschädigungen als Folgen der Taten festzustellen. Eine neue Dimension hatte der Fall in dieser Woche nach Veröffentlichung von Polizeiberichten und Einvernahmeprotokollen in der Zeitschrift "Falter" bekommen.
Sprechtag in Pflegeheim
Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz hat inzwischen einen Sprechtag der Wiener Heimkommission in jenem Wiener Pflegeheim anberaumt, in dem zwei der Misshandlung von Pflegebedürftigen beschuldigte Pfleger nach ihrer Entlassung aus dem Heim in Kirchstetten gearbeitet haben. Es sei "inakzeptabel", dass diese trotz der Verdachtslage dort beschäftigt wurden, so Pilz.
"Wer Mitarbeiter einstellt, führt üblicherweise ein ausführliches Aufnahmegespräch und macht sich ein Bild über den bisherigen Werdegang und die Motivation des Bewerbers", sagte Pilz. Entweder seien seitens der Verantwortlichen des Wiener Heims "diese Minimalstandards nicht eingehalten oder noch schlimmer, trotz bekannter Verdachtslage die Pflegepersonen beschäftigt" worden, kritisierte sie.
War Wiener Heim informiert?
Der Anwalt der Beschuldigten sagte am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal, dass die Leitung des Wiener Pflegeheims von den laufenden Ermittlungen gewusst habe. Laut dem Chef des Fonds Soziales Wien (FSW), Peter Hacker, wird derzeit untersucht, ob das Heim über die Vorwürfe informiert war und wenn ja, welche "Maßnahmen und begleitenden Maßnahmen gesetzt worden sind".
Eine Überprüfung der Wiener Pflegeeinrichtung, in der zwei ehemalige Pflegekräfte einer Einrichtung in Niederösterreich tätig waren, ergab, dass in diesem nichts von dem seit Oktober 2016 laufenden Verfahren gegen die Verdächtigen bekannt war. Wie der Fonds Soziales Wien (FSW) am Donnerstag der APA mitteilte, haben die zuständigen Leitungen davon erst im Juli erfahren.
Die sei durch einen Zufall geschehen, hieß es in dem Statement des FSW, daraufhin haben die Leitungen in ihrer "Wahrnehmung Kontroll- und Vorsorgemaßnahmen getroffen". Über die am Mittwoch festgenommenen Verdächtigen, die nach einer Einvernahme am Donnerstag wieder enthaftet worden sind, wurde mit sämtlichen Bewohnerinnen und Bewohnern gesprochen, berichtete der FSW über die noch laufende Kontrolle. Resultat: Es wurde von keinerlei negativen Zwischenfällen berichtet, teilweise wurde ausdrücklich ein positiver Eindruck der Betreuung formuliert. Den gleichen Eindruck hätten auch die Gespräche mit den übrigen Mitarbeitern ergeben.