Nach dreijährigen Ermittlungen hat die Polizei ein Bau-Betrugsnetz zerschlagen: Eine Tätergruppe aus dem ehemaligen Jugoslawien soll durch illegale Preisabsprachen, Steuerhinterziehung sowie Hinterziehung von Sozialabgaben eine Schaden von mehr als 55 Mio. Euro verursacht haben. Gestern, Dienstag, kam es zu 24 zeitgleich stattfindenden Hausdurchsuchungen in Wien, Nieder- und Oberösterreich.
Bei Baustellenkontrollen und Observationen hatten Beamte der Finanzpolizei und des Landeskriminalamts Wien genug belastendes Material gesammelt, um gestern in den frühen Morgenstunden die groß angelegte Aktion durchzuführen. Die Bande hatte insgesamt mehr als 755 Arbeitnehmer in einem internationalen Netzwerk aus mehr als 30 Scheinfirmen beschäftigt, berichteten die Ermittler am Mittwoch. Sechs Männer wurden festgenommen und in Untersuchungshaft genommen.
Organisierter Sozialbetrug
In das internationale Betrugsnetzwerk sind nach Angaben der Finanzpolizei inländische Auftraggeber sowie in- und ausländische Betrugs- und Scheinfirmen involviert gewesen. "Man kann von einem organisierten Sozialbetrug im großen Stil sprechen", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums zur APA.
Die Täter gaben die Entsendungen von Arbeitern aus Billiglohnländern wie Bulgarien, Rumänien, Tschechien, Ungarn und der Slowakei vor. Diese wurden bei inländischen Scheinfirmen gemeldet. Die An- bzw. Ummeldung der Arbeiter, sowie die Auftragsvergabe und Rechnungsabwicklung erfolgte über Mittelsmänner in Österreich. Die Rechnungsgelder wurden auf ausländische Konten überwiesen, dort allerdings von den Betrügern abgehoben und teils wieder in Form von Bargeld nach Österreich rückübermittelt ("Kickbackzahlungen"). Die Arbeiter waren in den "Entsendestaaten" nicht sozialversichert bzw. legten gefälschte Dokumente vor.
Menschenunwürdige Bedingungen
Die Männer im Alter von 20 bis 60 Jahren lebten zu einem großen Teil ganzjährig in Wien. Gegen sehr geringen Lohn arbeiteten sie auf diversen Baustellen und wohnten unter menschenunwürdigen Umständen in Massenquartieren oder direkt auf den Baustellen.
Bei der Schadenssumme von 55 Mio. Euro handelt es sich um eine vorläufige Schätzung, betonte man bei der Finanzpolizei. Der tatsächliche Schaden werde aufgrund von Schein- bzw. Deckungsrechnungen in den Buchhaltungen vermutlich wesentlich höher ausfallen, betonte die Behörde. Beschlagnahmt wurden bei den Hausdurchsuchungen, an denen 160 Beamte beteiligt waren, Laptops, Handys und einige Terabyte an EDV-Datenmaterial. Darüber hinaus wurden Bargeld in Höhe von 110.000 Euro sowie ein Pkw sichergestellt.