Verbrechen nach dem Verbotsgesetz haben einen 26-Jährigen aus dem Bezirk Mödling vor den Richter geführt. Er musste sich am Dienstag in Wiener Neustadt vor einem Geschworenensenat in Wiener Neustadt verantworten und bekannte sich teilweise schuldig. Dem Vernehmen nach sollte heute noch ein Urteil gefällt werden.
Hakenkreuze in Arme geritzt
Der junge Mann soll ab Anfang 2006 in seinem Haus unter anderem eine Wehrmachtsuniform, einen nachgebauten SS-Dolch, ein Porträtfoto Adolf Hitlers sowie mehrere Hakenkreuzfahnen und -armbinden gehortet und die NS-Devotionalien mehreren Besuchern gezeigt haben. Weiters habe er Bilder von sich und anderen mit Hakenkreuzfahnen und -armbinden sowie NS-Wehrmachtsuniform via WhatsApp übermittelt.
Zudem soll sich der Angeklagte selbst Hakenkreuze an den Armen eingeritzt haben. Vorgeworfen wurden ihm auch der unbefugte Besitz einer Pistole und eines Sturmgewehrs, Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz (Marihuana) und Körperverletzung, weil er einem anderen eine Dose gegen die Stirn geschlagen hatte.
Wie der Staatsanwalt ausführte, war der Angeklagte 2011 in einem Verfahren wegen gefährlicher Drohung, Sachbeschädigung und Körperverletzung mit einer Geldstrafe davongekommen, die den "sehr wohlhabenden" jungen Mann anscheinend nicht beeindruckt habe. Er bekomme vom Vater ein großzügiges Taschengeld und habe offenbar zu wenig Sinnvolles zu tun, meinte der Ankläger unter Hinweis auf die Vorwürfe und auch die Alkoholsucht des Beschuldigten. Er sei bisher teilgeständig gewesen und habe seine Aussagen immer dem jeweiligen Ermittlungsstand angepasst, werde aber von Zeugen belastet.
Verteidiger: "Kein Neo-Nazi"
Der Verteidiger sprach von einer "überschießenden" Anklageschrift. Sein Mandant sei sicher kein Neo-Nazi und habe diesbezüglich auch keine familiäre Situation im Hintergrund. Die Sammlung von Stücken aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes habe sich in einem versperrbaren Kellerraum befunden, der damals 25-Jährige habe einen sehr eingeschränkten Freundeskreis und die Sachen nur auf Nachfrage hergezeigt bzw. Fotos via WhatsApp geschickt, aber nicht in sozialen Netzwerken wie Facebook & Co verbreitet, betonte der Anwalt.
Mit 16 hatte der wegen NS-Wiederbetätigung Angeklagte die Schule geschmissen, Marihuana konsumiert und musste den Tod seiner Mutter verkraften, wie er am Dienstag vor Gericht aus seinem Leben erzählte. Nach einer stationären Therapie sei er clean, wöchentlich gehe er noch in Psychotherapie. Allerdings ersetzte er die Drogen durch Alkohol, merkte der Richter an.
Vieles von dem, was ihm vorgeworfen wurde - martialisch wirkende Fotos in Wehrmachtsuniform, SMS mit Hitlergruß - rechtfertigte der 26-Jährige mit den Worten, das sei ein Scherz bzw. er betrunken gewesen. Das Buch "Mein Kampf" von Adolf Hitler habe er von seiner Oma geerbt und sich für Geschichte interessiert, war er bestrebt, den Besitz von NS-Devotionalien zu verharmlosen - Freunden zufolge habe er mit der Sammlung geprahlt, hielt ihm der Richter vor. Er hänge der NS-Ideologie nicht an, sei vielmehr ein ausländerfreundlicher Mensch, beteuerte der Angeklagte. Es sei ihm nicht bewusst gewesen, dass das Weiterschicken von Fotos via WhatsApp den Tatbestand der Wiederbetätigung erfülle.
Frisur wie Heinrich Himmler
Auch mit jenem befreundeten Friseur, bei dem er sich einen Kurzhaarschnitt verpassen ließ, habe er danach nur "gescherzt", dass er nun wie Heinrich Himmler aussehe. Dass er ihm mit einer Red Bull Dose ein Cut über dem Auge zufügte, was nun als Körperverletzung angeklagt ist, erklärte der Beschuldigte als Unfall beim Zuwerfen der Dose.
2013 war im Zusammenhang mit einem Konflikt mit seiner Stiefmutter seitens der Bezirkshauptmannschaft Mödling ein Waffenverbot ausgesprochen worden - dennoch besaß der leidenschaftliche Modellbauer eine Kalaschnikow, die er später im Attersee versenkte. "Wie schaut der Plan aus?" wollte der Richter Zukunftsoptionen ergründen. "Arbeiten wie jeder andere auch, Abendschule machen", war die Antwort. Er wolle sich reinhauen und "auf jeden Fall" einmal die Firma seines Vaters übernehmen, erklärte der 26-Jährige. Seine Freundin sei seine Stütze.
Laut Gutachten ist der Angeklagte zurechnungsfähig, habe keinerlei Bewusstseinsstörungen, sei ruhig und nicht aggressiv, aber nach eigenen Angaben alkoholabhängig. Alkohol und Suchtmittel hätten entscheidenden Einfluss, es bedürfe nach wie vor massiver therapeutischer Unterstützung, empfahl der Sachverständige noch eine stationäre Therapie.
Als erste Zeugin sagte eine Friseurin aus, der eine Bekannte des Angeklagten allerlei über Marihuana-Konsum erzählt und auch ein Video gezeigt hatte, auf dem jemand - mutmaßlich der 26-Jährige - mit einer Waffe auf eine Mauer schießt. Ein weitschichtig verwandter junger Mann gab an, gehört zu haben, dass der Beschuldigte die NS-Utensilien "cool" finde. Dessen älterer Bruder hatte die Sachen im Haus des 26-Jährigen gesehen. Dieser habe damit aber wohl nur Aufmerksamkeit erhaschen wollen, meinte der 31-Jährige im Zeugenstand.
"Ihm gesagt, dass er ein Idiot ist"
Ein Gleichaltriger kannte den Angeklagten seit der Schule. Sein Freund habe früh seine Mutter verloren, es habe kein Familienleben gegeben, alles wurde mit Geld geregelt, zu viel Zeit hatte er auch, "da kommt dann so ein Blödsinn raus wie diese Nazi-G'schichten", meinte er. Die Wehrmachtsuniformen habe er im Bunker im Keller gesehen, weil er beim Ausbau des Raums mitgeholfen hatte. "Ich habe ihm gesagt, dass er ein Idiot ist", meinte der Zeuge auf die Frage, was er von der NS-Sammlung hielt. Irgendwelche Weltanschauungen oder Nazi-Parolen habe sein Freund ihm aber nie aufgedrängt. Das bestätigte ein weiterer Bekannter. Er kannte die Sachen im Keller ebenfalls - aber was einer sammle, sei ihm egal, meinte der 29-Jährige ebenso wie ein weiterer Bekannter. Ein öfter beschäftigter Gärtner gab an, nichts dergleichen wahrgenommen zu haben.
Ein Friseur hatte den Angeklagten zunächst als Kunden kennengelernt. Ab und zu trank man etwas gemeinsam, die beiden wurden Freunde, waren einmal Rodeln am Semmering. Weil der 26-Jährige Jägermeister getrunken hatte, fuhr der Zeuge zurück und schlief dann bei ihm. "Geweckt" wurde er, weil ihm eine Red Bull Dose auf die Stirn geknallt war, bestätigte der Zeuge nach Richtervorhalt seine frühere Aussage. Ausländerfeindlichkeit wollte er bei dem Angeklagten nie bemerkt haben: "Seine besten Freunde stammen aus Bosnien - und ich auch", meinte er, musste dann aber doch einräumen, dass der 26-Jährige einmal mit dem Foto eines SS-Schergen ankam, um sich nach diesem Vorbild die Haare schneiden zu lassen.
Ein Ermittler berichtete von einschlägigen Bildern auf mehreren Datenträgern. Die Rede war auch von einer anonymen Anzeige gegen den Angeklagten. Er stimmte der von der Staatsanwaltschaft beantragten Einziehung u.a. der Waffen und Munition zu - seine elektronischen Geräte hätte er schon gern zurück, meinte er. Einige Zeugen waren nicht erschienen, Ankläger und Verteidiger stimmten aber der Verlesung der Aussagen zu.
Eine zunächst nicht erschienene Zeugin wurde von der Polizei geholt. Die junge Frau, ein 18-jähriger Lehrling, wurde gegen 17.00 Uhr aufgerufen. Sie kannte den Beschuldigten seit Juli 2016 und hatte auch fallweise in dessen Haus übernachtet. Nach einem Streit mit ihrem Freund kam sie ebenfalls zu ihm und äußerte Selbstmordabsichten - "ich war betrunken", sagte sie heute. Der 26-Jährige habe sie davon abgebracht, aber es kam zum "Ausprobieren" einer Waffe. Sie filmte die Schussabgaben gegen die Wand. Sie hätten auch einen Joint miteinander geraucht. Bei ihren Aufenthalten im Haus habe sie im Keller eine Hakenkreuzfahne gesehen. "Die Sachen haben ihm gefallen." Feindselige Äußerungen gegenüber Muslimen, die sie laut ihrer früheren Aussage bei der Polizei gehört hatte, tat sie heute als "blödes Gerede im Rausch" ab.