Eine im Februar in Deutsch-Wagram (Bezirk Gänserndorf) verübte Bluttat ist am Montag und Dienstag Gegenstand eines Prozesses in Korneuburg. Weil der Mann, der seinen Vater (55) und seine Stiefmutter (52) durch Messerstiche tötete, laut Gutachten im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit handelte, hat die Staatsanwalt seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.
Der Betroffene war mit Frau und Sohn bei den Eltern zu Besuch gewesen, als er am späteren Abend offenbar ausrastete und mit einem Küchenmesser auf die 52-Jährige und seinen Vater einstach. Anschließend fügte er laut Polizei auch seiner Ehefrau Verletzungen am Bauch und Oberkörper zu und drohte beim Eintreffen der Polizei mit der Ermordung seines Sohnes. Als ein Beamter einen Schreckschuss abgab, ließ er das Messer fallen, der Elfjährige konnte sich aus der Umklammerung losreißen und flüchten. Der Bub blieb unverletzt.
Angeklagter sagte aus
Er sei mit seiner Familie spazieren gegangen, "es war ein schönes Leben", schilderte der 36-Jährige die Jahre nach seiner Entlassung aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher in Göllersdorf. Er sei immer in die Ambulanz gegangen, habe die Medikation gut vertragen, keine Nebenwirkungen und auch keine Angstzustände gehabt. Zwei Wochen vor der Tat wurde das jedoch anders, sagte er.
Auch seine Mutter hatte psychische Probleme und litt an Verfolgungswahn, die Schwester an Depressionen, erfuhr Richter Gernot Braitenberg auf Nachfrage aus der familiären Vorgeschichte. An jenem Februartag war er bei den Eltern gewesen, seine Frau kam mit dem Sohn nach. Er habe draußen Leute gesehen und gedacht, die wollen rein ins Haus und ihn umbringen, erzählte der 36-Jährige von seinen Wahnvorstellungen Richtung Mafia. Nach dem mitgehörten Gespräch seiner Angehörigen über sich selbst sei er ins Wohnzimmer gegangen und sagte, er wolle am folgenden Tag mit seiner Frau ein Spital aufsuchen - der Vater habe ihn jedoch angeschrien, er solle sofort ins Krankenhaus.
Sohn fragte nach dem Motiv
Wie oft er zugestochen hatte, wusste er heute nicht mehr genau. "Papa, warum hast du das gemacht?" habe sein Sohn gefragt - und er hielt ihm das Messer an den Hals. Er hätte seinem Buben aber ganz sicher nichts getan, zeigte sich der Betroffene überzeugt. Mit seiner Frau gebe es keinen Kontakt mehr.
Den Geschworenen wurden dann Video-Aufnahmen der Zeugenaussagen - Mutter und Sohn - gezeigt. Der Elfjährige, der gesehen hatte, wie sein Vater seiner Mutter in den Bauch stach, sagte, der Beschuldigte hätte an jenem Abend seine Tabletten nehmen sollen, wollte aber nicht. Der 14-jährige Sohn der beiden Opfer gab per Video an, gehört zu haben, dass sein Halbbruder manisch-depressiv sei. Er hatte damals die Polizei verständigt.
Als die Exekutive zu viert am Tatort eintraf, stieg der 36-Jährige aus einem Fenster - in der rechten Hand ein Messer, mit der linken hielt er sein Kind fest, schilderte ein Gruppeninspektor. "Papa, lass' mich los", habe der Bub geschrien und sich losgerissen. Als der Beamte einen Schreckschuss abgab, ließ der Mann das Messer fallen und sich festnehmen. Er habe sich danach vor ein vorbeifahrendes Auto werfen wollen, sagte ein weiterer Polizist.
Gutachter am Wort
Nach den Zeugenaussagen beschrieb Gerichtsmediziner Wolfgang Denk die massiven Verletzungen der Opfer der im Februar in Deutsch-Wagram verübten Bluttat, wegen der ein 36-Jähriger in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden soll. Darüber berieten die Geschworenen ab 14.00 Uhr.
Demnach erlitt der Vater (56) drei Messerstiche in den Rumpf - jeder davon war lebensbedrohlich und führte zu massivem Blutverlust. Der Stiefmutter (52) waren mit dem Küchenmesser mit 20 Zentimetern Klingenlänge vier Stiche zugefügt worden - in die Brust, den Bauch und Rücken. Außerdem wies dieses Opfer eine klaffende Wunde am Hals auf. Abwehrverletzungen gab es nicht. Die Reanimation blieb erfolglos - beide starben. Die Ehefrau (38) wurde durch Stiche in die Brust und den Bauch schwer verletzt, war bei ihrer Einlieferung aber ansprechbar und in stabilem Zustand, sagte der Sachverständige.
Peter Hofmann attestierte dem 36-Jährigen in seinem gerichtspsychiatrischen Gutachten eine manisch-depressive Erkrankung, vermischt mit Schizophrenie, unter deren Einfluss der Mann als gefährlich einzustufen sei. Das Krankheitsbild habe sich seit dem Einweisungsgutachten aus 2009 - nach gefährlichen Drohungen gegenüber vier Personen - massiv verschlechtert.
Einweisung als Urteil
Hofmann zufolge liegt in diesem Fall eine Geisteskrankheit im rechtlichen Sinn und damit Zurechnungsunfähigkeit vor. Die Möglichkeit einer nur bedingten Einweisung, wie sie der Verteidiger zu Verhandlungsbeginn in den Raum gestellt hatte und darauf auch am Nachmittag plädierte, lehnte der Gutachter klar ab. Staatsanwalt Christian Pawle sprach sich unter Hinweis auf die klare Sachlage und das psychiatrische Gutachten für eine Einweisung aus.
Das Urteil lautete schließlich auch: Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die Maßnahme sei notwendig, um den Betroffenen und seine Familie zu schützen, betonte Richter Gernot Braitenberg. "Wir haben es hier mit einer Familientragödie zu tun, bedingt durch eine schreckliche Krankheit." Es bestehe ein hohes Gefährdungspotenzial.