Um das Schicksal von zwei minderjährigen Mädchen aus Nigeria ist es am Donnerstag in einer Verhandlung am Wiener Landesgericht gegangen. Die 15 bzw. 16 Jahre alten Mädchen waren Anfang des Jahres in die Bundeshauptstadt gekommen - ab Februar gingen sie in einem Sex-Studio der Prostitution nach. Vor ihrer Reise nach Europa hatte man sie einem Voodoo-Ritual unterzogen, um sie gefügig zu machen.
Die Mädchen mussten den so genannten Juju-Schwur leisten. Sie verpflichteten sich gegenüber ihren Schleppern, sämtliche Anweisungen zu befolgen, in Europa ihrer "Madame" zu gehorchen, die sich ihrer annehmen würde, und das verdiente Geld abzuliefern. Der Schwur wurde von einem Juju-Priester besiegelt - für den Fall, dass er gebrochen wurde, wurden den Mädchen drakonische Konsequenzen für ihre Familien - Wahnsinn, schwere Krankheiten oder gar der Tod - angedroht.
Mädchen bei Landsfrau untergebracht
In Wien wurden die Mädchen in der Wohnung einer 38-jährigen Landsfrau untergebracht, die seit 2002 in Österreich lebt und einst auf genau demselben Weg nach Europa gefunden und sich als Prostituierte verdingt hatte. Der Frau, die mittlerweile als Mitarbeiterin einer Fast Food-Kette jobbt, wurde nun Menschenhandel und Zuhälterei vorgeworfen - laut Anklage mussten ihr die Mädchen monatlich je 250 Euro für ein Zimmer, in dem sie gemeinsam mit einer Mitbewohnerin der Angeklagten schliefen, und Geld fürs Essen abliefern. Außerdem soll die 38-Jährige die Minderjährigen überwacht und dafür gesorgt haben, dass diese ihrer Arbeit nachgingen.
In der Verhandlung stellte sich allerdings heraus, dass die - mittlerweile untergetauchte - Mitbewohnerin der 38-Jährigen die Mädchen in die Wohnung gebracht hatte und diese als Schwestern einer Freundin ausgab. Die Angeklagte wusste zwar, dass die Mädchen der Prostitution nachgingen - nachdem diese sich ihr als 19 bzw. 18 Jahre alt und damit als volljährig vorgestellt hatten, hielt sie das aber für legal. "Fürs Wohnen habe ich nichts verlangt", versicherte die Angeklagte. Möglich, dass ihre Mitbewohnerin ohne ihr Wissen etwas kassiert habe. Für die behauptete Überwachung hätte sie gar keine Zeit gehabt, da sie in ihrem Imbiss-Lokal stets die Spätschicht übernahm und immer erst weit nach Mitternacht nach Hause kam.
Freispruch im Zweifel
Die DVD mit den Aussagen der Mädchen, die im Vorfeld kontradiktorisch vernommen worden waren, wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgespielt. Verteidiger Timo Gerersdorfer betonte im Anschluss, auf die Angeklagte hätten die Betroffenen keinen unglücklichen Eindruck gemacht: "Für meine Mandantin war klar, dass sie ihre eigenen Bosse sind. Es waren fröhliche Mädchen, die in der Wohnung gesungen und getanzt haben." Er ersuchte daher um einen Freispruch.
Der Schöffensenat benötigte eine Beratungszeit von wenigen Minuten, um dieser Bitte nachzukommen. Es handle sich um einen Freispruch im Zweifel, betonte die Vorsitzende Sonja Höpler-Salat. Da außer der Angeklagten kein weiteres mögliches Mitglied der Organisation, die die Nigerianerinnen nach Wien gebracht hatte, ausgeforscht werden konnte, reiche die Beweislage nicht für einen Schuldspruch aus. Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.